PRIX HÖRVERLAG erstmals vergeben

Der Preis zeichnet aus. Den Preis zeichnet aus, wenn er unspektakulär ist, mit Wirkung nach Innen, vergleichbar einem eleganten Arbeiter, so Claudia Baumhöver, Verlegerin des Münchner Hörverlags. Daß es dabei zugleich um einen stark erweiterten Kunstbegriff gehen kann, wurde angesichts der erstmaligen Verleihung des PRIX HÖRVERLAG am vergangenen Donnerstag deutlich.

Neben rund 160 Gästen aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Medien - darunter Focus-Chefredakteur Helmut Markwort - versammelte die Auszeichnung auch eine hochkarätige Jury um sich. Unterstützt von Autor Wiglaf Droste, Udo Kittelmann (Museum für Moderne Kunst in Frankfurt), Musiker und Komponist Hans Platzgumer, Schauspielerin Wiebke Puls sowie Literaturkritiker Wilhelm Trapp stellte Baumhöver die besten Produktionen vor.

Verlegerin Claudia Baumhöver mit den Gewinnern
(v.l.n.r Matthias Pusch und Marie-Louise Goerke von SEROTONIN, Claudia Baumhöver, Stefan Finke und Hermann Bohlen)


Vier Monate lang hatte die sog. "freie Hörspielszene" Zeit, unabhängig vom Markt und außerhalb institutioneller Grenzen die Möglichkeiten ihres Genres auszuloten. Neben einem Hang zur Atmosphäre ließen die insgesamt 120 Einsendungen vor allem den Einsatz moderner Mittel erkennen, die jedoch nicht immer konsequent umgesetzt wurden.

Am Ende der engeren Auswahl blieben erstaunlicherweise keinerlei Lesungen übrig, noch basierte einer der nunmehr 40 Favoriten auf einer Literaturvorlage.

Den daraus ausgewählten Siegerhörspielen gemeinsam ist dafür ein ähnliches Hauptthema, das sich am besten unter dem Begriff des "Scheiterns" zusammenfassen läßt. Während der mit 1000 Euro prämierte dritte Titel "In' Sack haun", was in Norddeutschland so viel wie "eine Sache hinschmeißen" heißt, trotz seiner Beschäftigung mit den modernen Telekommunikationsformen der 90er Jahre durch seine Zeitlosigkeit herausragte (Hermann Bohlen, WDR 1995), belegte der Kölner Stefan Finke mit seiner assoziativen Soundcollage "Familienalbum. Innerer Monolog für Stimmen, Musik und Geräusche" (Bayerischer Rundfunk) den ersten Platz sowie das damit verbundene Preisgeld von 5000 Euro.

Der heimliche Gewinner der Hörspielhelden-Redaktion stellt allerdings die, nach Meinung der Jury, "hör- und spürbare Realität der Situationen" im zweitplazierten und mit 3000 Euro versehenen Beitrag des Berliner Autoren-Duos SEROTONIN (Marie-Luise Goerke und Matthias Pusch) dar.

In "Scheitern für Fortgeschrittene" (WDR 2005) geht es ironischerweise um die Vertiefung des Protagonisten Fenner in seine einzige Begabung: das Versagen. Aus diesem Grund entschließt er sich, etwas daraus zu machen: Eine "Akademie des Scheiterns" zum Beispiel. Postfach 14059, Berlin. Was im ersten Moment wie eine todernste Utopie der Krisis anmuten will, entpuppt sich schnell als eine Verkehrung des Erfolgszwanges, die uns trotz oder gerade wegen aller Ernsthaftigkeit zum Lachen bringt. Da gibt es die Ballerina, die aufgrund ihrer Körpermaße zu allem, nur nicht zur Tänzerin taugt, oder die unerreichbare Filmkarriere trotz Schönheits-OP und Schauspieldiplom genauso wie den Single mit schlechten One-Night-Stands. Schön wäre es, wenn man sein Leben zurückspulen und noch mal leben könnte, denkt Fenner. Besser natürlich.

"Wiederholungen sind Programm, dem Wunsch entsprechend, das Leben zurückspulen zu können, um noch einmal von vorne anzufangen. Stattdessen erleben wir vielfach verpaßte Einsätze, aufs Neue verschusselte Momente, evergreene Kränkungen, widerkehrende Ratlosigkeiten und - das ist der Zauber - in der Summe eine höchst elegante, komplexe Fuge", sagt die Jury.
Um so bedauerlich ist es, daß lediglich das Gewinner-Hörspiel im Oktober im Hörverlag veröffentlicht werden wird. Trotz dieses kleinen Wehmuttropfens hat der Prix Hörverlag, der zum nächsten Mal in zwei Jahren verliehen wird (Einsendeschluß März 2008), schon jetzt bewiesen, daß er seinem Ziel in jeder Hinsicht gerecht geworden ist: Werke zu prämieren, die den
Autoren und ihrem Publikum hier und heute gleichermaßen Lust machen und das Morgen anklingen lassen.

Petra

Die Gewinner des ersten Prix Hörverlag 2006 mit der Jury

(v.l.n.r. Hermann Bohlen, Wilhelm Trapp, Hans Platzgumer, Matthias Pusch, Marie-Louise Goerke, Claudia Baumhöver, Wiebke Plus und Stefan Finke)

Bilder © Christine Strub

1. Preis:

Familienalbum.
Innerer Monolog für Stimmen, Musik und Geräusche
von
Stefan Finke

 

***

 

2. Preis:

Scheitern für Fortgeschrittene
von
SEROTONIN

 

***

 

3. Preis:

In' Sack haun
von
Hermann Bohlen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

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