SZ-Interview mit Ellis Kaut

"Zum Pumuckl gehören auch traurige Töne"

Die Münchner Kinderbuchautorin über Hans Clarin, der ihren Kobold zum Erfolg machte

Der Schauspieler Hans Clarin ist am Sonntag im Alter von 75 Jahren in Aschau gestorben. Clarin gehörte lange dem Bayerischen Staatsschauspiel an, spielte in Flimen und Ferseh-Serien mit, synchronisierte, führte Regie und schrieb Bücher. Als Stimme von Pumuckl, der Kobold-Figur der Münchner Kinderbuch-Autorin Ellis Kaut, 84, wurde er im gesamten deutschen Sprachraum bekannt. Ein Gespräch mit Ellis Kaut.

SZ: Frau Kaut, wie kommt es, dass Hans Clarin und Ihre Figur eine geradezu kongeniale Einheit bildeten?

Kaut: Vielleicht lag es ja daran: Der Clarin und ich konnten über die gleichen Dinge lachen. Wenn er aus dem Manuskript Stellen vorlas, die ich für komisch hielt, so übertrug sich das sofort auf den Klang seiner hohen, unverwechselbaren Stimme. Clarin war zudem ein netter und unkomplizierter Mensch. Außerdem hatte er diese typisch bayerische Herzlichkeit. Obwohl er gar nicht aus Bayern stammt. Vor allem aber das gemeinsame Lachen hat uns verbunden. Sie wissen ja, nicht jeder mag den Pumuckl...

SZ: Nein, wirklich nicht. Zum Beispiel die Taxifahrerin, mit der wir gerade zu Ihnen gefahren sind. Die findet ihn fürchterlich.

Kaut: Sehen Sie. Da gibt es viele. Aber wenn man einen Schauspieler hat, bei dem diese Figur hunderprozentig funktioniert, weil er gewissermaßen der Pumuckl ist, dann ist das das Schönste, was man sich vorstellen kann.

SZ: Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit Clarin?

Kaut: Ich weiß nur noch, dass ich zusammen mit der Leiterin des Kinderfunks im Schallarchiv des BR nach einer passenden Stimme suchte. Als wir Hans Clarin "Die kleine Hexe" von Otfried Preußler lesen hörten, wussten wir: Der muss es sein. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich ihn noch nicht. Später hatten wir ein schönes, ein kollegiales Verhältnis. Wir trafen uns immer wieder mal.

SZ: In den Nachrufen steht zwar auch: Er spielte in Filmen mit, synchronisierte und war am Theater. Am wichtigsten aber scheint zu sein: Clarin war Pumuckl. Ohne die Betonung auf Pumuckl kommt kein Nachruf aus. Ein vergleichbarer Grad an Identifikation existiert sonst höchstens noch bei Micky Maus und ihrem Vater Walt Disney,

"Hätte Gustaf Gründgens den Pumuckl gelesen, so wäre er nie ein Erfolg geworden." Hans Clarin und die Pumuckl-Autorin Ellis Kaut im Jahr 2003.

Foto: dpa

oder bei Kermit dem Frosch und seinem Schöpfer Jim Henson. Wir wirkt das auf Sie?

Kaut: Wunderbar. Hätte Gustaf Gründgens den Pumuckl gelesen, so wäre er nie ein Erfolg geworden. Diese Wurschtigkeit, diese Aufmüpfigkeit, diese Lustigkeit und Hysterie, die in dieser Figur steckt, findet sich so oder so zwar in jedem Menschen. Aber nur Clarin konnte sie mit all ihren Facetten ausdrücken.

SZ: War es die Pumuckl-Rolle, die ihm seine Stimme ruiniert hat?

Kaut: Er selber hat das nicht so gesehen. Und außerdem hat er ja nicht ständig wie ein Kobold geredet.

SZ: Stirbt mit Clarin auch Pumuckl?

Kaut: Beim letzten Film hat erstmals ein junger Schauspieler den Part übernommen. Wegen der stimmlichen Probleme von Clarin. Der Film war nicht so erfolgreich.

SZ: Die Leute müssen sich halt erst einmal an die neue Stimme gewöhnen...

Kaut: Nein, lassen Sie es mich so sagen: Clarin hat es geschafft, einer lauten Figur Zwischentöne zu verleihen, die nicht nur überspannt und lustig sind. Das ist eine gewaltige Kunst. Aber zum Pumuckl gehören eben auch leise, traurige Töne. Beim Meister Eder war das anders. Wie viele Meister Eder gab es?

SZ: Franz Fröhlich, Alfred Pongratz, Gustl Bayrhammer.

Kaut: Ja. Diese massive bayerische Handwerkersprache, wie sie Franz Fröhlich vorgegeben hat, beherrschen einige Schauspieler. Aber innerhalb einer hohen Tonlage zu modulieren, ohne flach oder blöd daher zu kommen, das ist sehr schwierig.

SZ: Wie geht es jetzt weiter?

Kaut: Das weiß noch keiner so genau. Ich hoffe aber, dass der Pumuckl auch ohne Clarins Stimme so stark ist, dass er weiterleben wird. So wie die Biene Maja zum Beispiel. Die existiert ja auch immer noch. In verschiedensten Formen.

SZ: Wissen die Kinder heute denn noch, was ein Schreinermeister ist?

Kaut: Haben Sie jemals in München einen Cowboy getroffen? Könnten Sie sich dennoch vorstellen, ein Cowboy-Buch zu lesen?

SZ: Stimmt.

Kaut: Die Geschichte muss berühren. Wo sie spielt, ist wurscht.

SZ: Gerade wurde in Marbach der Nachlass des vor zehn Jahren gestorbenen Schriftstellers Michael Ende geöffnet. Das Literaturarchiv ist ja so eine Art Ruhmeshalle für Deutsche Schriften.

Kaut: Na, und ich bekomme gelegentlich Besuch von einem Schreiner, der in seiner Werkstatt auf 40 Quadratmetern das erste Pumuckl-Museum bauen möchte. Soll er ruhig machen. Die Werkstatt des echten Meister Eder, der mir einmal das lange Braune dadrüben gezimmert hat (zeigt auf ein Wohnzimmerregal), musste dem Münchner Altstadtring weichen. Die Werkstatt aus der Fernsehserie, die eigentlich Pumuckl-Museum werden sollte, fiel dem Neubau einer Versicherung zum Opfer.

SZ: So langsam stirbt auch die Pumuckl-Familie. Bayrhammer, Singerl, Berger, Hans Clarin...

Kaut: ...nur die Autorin wird immer älter und älter.

SZ: Und lacht.

Kaut: Und lacht.

SZ: Glauben Sie an das Leben nach dem Tod?

Kaut: Dass wir alle auf einer Wolke sitzen und runter schauen? Nein, daran glaube ich sicher nicht.

Interview: Martin Zips

Aus: Süddeutsche Zeitung, Dienstag, 30. August 2005, S. 37

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