sueddeutsche.de München

 04.08.2005

 


Erni Singerl,
1921 - 2005.
Foto: ddp

 

Zwischen Komödienstadel und Kir Royal

Erni Singerl wurde vom Weiß Ferdl entdeckt und in Dietls Filmen geadelt:
Die Volksschauspielerin starb im Alter von 83 Jahren in Trudering.

 

von Christian Mayer

 

Vor knapp zwei Jahren hatte Erni Singerl noch einmal einen umjubelten Auftritt, der für eine Dame von 82 Jahren ziemlich außergewöhnlich war. In der Kleinen Komödie am Max II spielte sie von November 2003 an für einige Wochen die Hauptrolle in der Boulevardkomödie „Erni greift an“.

Wahrscheinlich werden die Zuschauer nicht vergessen haben, wie die Schauspielerin mit ihrem Kollegen Rolf Kuhsiek einen artistischen Tango aufs Parkett legte. Mit voller Wucht knallte sie Abend für Abend aufs Sofa, dann stand sie ungerührt wieder auf, um ihren Part als intrigante Haushälterin souverän zu Ende zu spielen.

Das Publikum hielt ihr bis zuletzt die Treue. Am vergangenen Samstag starb Singerl in ihrem Haus in Trudering, bereits am Dienstag wurde sie im engsten Familienkreis auf dem Ostfriedhof bestattet. Zur Verwunderung ihrer Weggefährten und Freunde, die ihr nicht die letzte Ehre erweisen durften.

1,54 Meter groß, doch unübersehbar

Erstaunlicherweise fiel Erni Singerl auf Theaterpremieren, bei Zirkusvorstellungen, ja selbst im dichten Gedränge eines Bierzelts auf dem Oktoberfest sofort auf. Obwohl sie gerade mal 1,54 Meter groß war und eher auf höfliche Distanz bedacht, ragte sie heraus im Pulk der Münchner Prominenz: eine akkurat gekleidete, äußerst lebhafte Dame, die von ihren Gastgebern gerne hofiert wurde und sich auch nicht ungern hofieren ließ.

Was verständlich ist, denn einerseits garantierte die geborene Münchnerin, die am 29. August 1921 in der Osterwaldstraße in Schwabing als Ernestine Kremmel zur Welt kam, für ein volles Theater und gute Einschaltquoten. Andererseits war sie eben eine unterhaltsame Erscheinung, die kein Blatt vor den Mund nahm.

Zum Beispiel bei der Einweihung eines Münchner Biertempels vor zwei Jahren, als sie zwischen lauter Weißbiertrinkern demonstrativ ein Glas Rotwein hob und mit ihrer Unverwüstlichkeit kokettierte: „Das ist gut fürs Herz!“

Entdeckt von Weiß Ferdl

Um die schauspielerische Leistung dieser im besten Sinne bayerischen Schauspielerin zu würdigen, müsste man weit ausholen oder eine Filmographie schreiben, die ein halbes Jahrhundert umfasst.

Entdeckt wurde sie einer durchaus glaubhaften Legende nach vom Münchner Volksschauspieler Weiß Ferdl, der bei einem Vorstellungsgespräch 1937 in seinem Theater am Platzl von ihren Gesangs- und Tanzkünsten beeindruckt war, aber der talentierten jungen Frau den Ratschlag gab, sich doch besser einen Künstlernamen zuzulegen.

Nach dem Krieg und einer kurzen Ehe mit einem Soldaten machte Erni Singerl als Darstellerin in unzähligen Filmen neben Hans Moser oder Willy Reichert Karriere – vom „Ehestreik“ aus dem Jahr 1953 bis hin zur Fernsehfassung des Schwanks „Die wilde Auguste“ 1997.

Allein im BR-Dauerbrenner „Komödienstadel“ war sie in mehr als 50 Rollen zu sehen, meist als schlagfertige, gewitzte Münchnerin mit einem Hang zur Boshaftigkeit.

Pointen zwischen Tür und Angel

Dass sie immer wieder als Haushälterin oder, wie in der Serie „Meister Eder und sein Pumuckl“, wahlweise auch als Hausmeisterin zu erleben war, lag wohl an ihrer seltenen Gabe, selbst in kurzen Sequenzen, gleichsam zwischen Tür und Angel, das Publikum mit schnarrender oder einschmeichelnder Stimme zum Lachen zu bringen. „Sie war absolut pointensicher und wusste, wie die Leute auf sie reagieren“, sagt ihr langjähriger Bühnenkollege Rolf Kuhsiek.

Unvergesslich bleibt Erni Singerl als Haushälterin Irmgard in Helmut Dietls Kultserie „Monaco Franze – der ewige Stenz“ (1983). Man darf ohne Übertreibung behaupten, dass der Titelheld, gespielt von Helmut Fischer, ohne die resolute Unterstützung seiner Irmgard hoffnungslos verloren gewesen wäre: Allein schon weil der Monaco Franze nie zu seinem triumphalen Auftritt als angeblicher Opernkenner im Nationaltheater gekommen wäre. Schließlich überreicht ihm seine treue Irmgard in letzter Minute vor der Premiere den Smoking, den er zu Hause vergessen hat.

Auf den Leib geschrieben


Muttertag: Erni Singerl als Babys Mutter in Dietls Kultserie "Kir Royal"
(Photo: BR)


Bei den Dreharbeiten musste Erni Singerl für diese berühmte Szene übrigens bis nachts um drei warten, bis sie an der Reihe war, was sie ihrem Regisseur aber rasch verzieh. Sie war Dietl dankbar, dass er ihr eine Rolle als echte Münchnerin auf den Leib geschrieben hatte, „ohne dass ich eine Zeile ändern musste, wie das bei anderen Drehbüchern oft nötig ist“.

Auch deshalb sagte Singerl sofort zu, als Dietl sie „Kir Royal“ als Mutter des Klatschreporters Baby Schimmerlos engagierte. Das schauspielerische Gipfeltreffen von Erni Singerl mit dem Obergrantler Franz Xaver Kroetz sollte in jeder DVD-Sammlung zu finden sein: Erni Singerl als besorgte und putzwütige Frau Schimmerlos, die ihren Bub auf den rechten Weg bringen will und seine Bettgespielin aus der Wohnung wirft, zählt zu den Höhepunkten in „Kir Royal“.

(SZ vom 4.8.2005)

 

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