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 20.08.2003

Der Meister und sein Kobold

Erstmals seit 40 Jahren spricht Hans Clarin nicht den Pumuckl

 

Kennt noch jemand Kriminalassistent Cookie aus der Fernsehserie „77Sunset Strip“? Nach der 205. Folge war 1964 auch für ihn Schluss. Seine deutsche Stimme aber, die man in den Münchner Kammerspielen, auf den Salzburger Festspielen, in Edgar-Wallace- und Heinz-Rühmann-Filmen immer wieder hörte – sie zog sich einen neuen Körper an. Nicht den Puck aus dem „Sommernachtstraum“, nicht den Valerio in „Leonce und Lena“. Diesmal schlüpfte die hohe, kindliche Stimme in einen Kobold. Vor genau 40Jahrenhatte sie damit ihre wahre Bestimmung gefunden. Pumuckl war als BR-Radiofigur geboren. Cookie mag heute vergessen sein. Pumuckl lebt – dank Hans Clarin, dem Kreator des Kobold-Krächzkehlkopfs.


Im neuen Pumuckl-Film aber, der Mitte Oktober in die Kinos kommen soll, wird die Figur erstmals eine neue Stimme haben. Die von Kai Taschner. Schon wird darüber spekuliert, ob Hans Clarin nie wieder den Kobold sprechen könnte. Schlimm. Schon vor zwei Jahren kam die Meldung: Der Schauspieler aus Aschau leidet unter einer rätselhaften Bläschenbildung auf den Stimmbändern. Heiserkeit, Krankenhaus, Operation. In Radio und Fernsehen (auch bei Clarin) meldeten sich plötzlich grauenhafte Pieps-Stimmen, gaben sich in einem Anfall unverständlicher Selbstüberschätzung als mögliche Nachfolge-Implantate für den Koboldkehlkopf aus. „Das Bratwürstl wartet schon/Pumuckl startet schon/füllt sich’s in den Bauch hinein/Ordnung muss sein.“ Was durch Clarins Stimme zum Sonett geadelt wurde, drohte nun im Tinky-Winky-Kinderquatsch zu ersticken. Schon der tödliche Herzinfarkt des Ur-Meister-Eders Alfred Pongratz im Oktober1977 hatte den Pumuckl-Freunden stark zugesetzt. Ab Schallplatten-Folge34 nämlich wich seine melancholische Drechsel-Stimme dem Baumfäller-Stakkato eines Gustl Bayrhammer. Und jetzt Kai Taschner als Pumuckl? Wer ist das eigentlich?


Recherchen ergeben: Taschner hat Falkenauge in „Sailor Moon“ gesprochen und Golem in „Monster Rancher“. Qualifiziert ihn das als Kobold? Edith Kleibel vom Movienet-Filmverleih – er bringt „Pumuckl und sein Zirkusabenteuer“ heraus – beruhigt. Taschner sei „take für take gecoacht“ worden. Der 73-jährige Clarin war im Studio mit dabei. Außerdem spiele Clarin im Film ja mit. Als Ferdinand Eder, einem Verwandten des toten Franz Eder. Auch Ferdinand arbeitet mit Holz. Als Restaurator, nicht als Schreiner. Weil die (aus Ulrich Königs Pumuckl-Fernsehserie) bekannte Biedermeier-Gartenhaus-Werkstatt in München-Lehel dem Neubau einer großen Versicherung habe weichen müssen, wurde in einer Werkstatt in Giesing gedreht. Hans Clarin behält es sich indes vor, nach seiner Genesung auch weiterhin den Pumuckl zu sprechen. Das beruhigt.


40Kobold-Jahre. Stimmen wandern, Schreinermeister sterben, Versicherungen hauen Gebälk zusammen. Dann dieser hässliche Streit um Vermarktungsrechte. Apropos Vermarktung: Nicht nur an der Kinokasse, auch in den Läden kann es Pumuckl immer noch mit allen Potter- und Disney-Figuren der Welt aufnehmen. So lange man mit ihm Geld machen kann, so lange wird er weiter leben. Mit welcher Stimme, mit welchem Eder auch immer. Altes Koboldsgesetz.

Martin Zips

 


 

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