München, 25.März 2004

 

80 Jahre Rundfunk:
Wie die "Deutsche Stunde" nach Bayern kam

 

Biertragerl für den guten Empfang

Im März 1924 wurden die ersten Sendungen ausgestrahlt -
die Hörer mussten sich noch mit Tricks behelfen

Von Martin Zips

 

München - Bevor von Günther Jauch die Rede sein wird und vom wunderbaren Surround-Sound bei Klassik-Sendungen, muss zunächst über Insekten gesprochen werden. Schließlich spielten Insekten am Anfang der nunmehr 80-jährigen Geschichte des Radios in Bayern einee nicht unerhebliche Rolle.
Es war am 30. März des Jahres 1924, als erstmals die "Deutsche Stunde in Bayern" auf Sendung ging. In Berlin wurde schon seit einem halben Jahr Hörfunk gemacht, in den USA gab es erste Autoradios, und in München diente von sofort an das Zimmer 473 im Verkehrsministerium an der Arnulfstraße als Studio. Aus akustischen Gründen hatte man es mit dicht gepresster Baumwollwatte gepolstert, die sich zunächst bei Motten, dann auch bei anderen Insekten größter Beliebtheit erfreute. Ungeziefer-Spritzen spielten in diesen Tagen für Radiomacher eine ähnlich bedeutende Rolle wie heute Musikcomputer.
Doch weder Motten, noch das Rauschen, noch erste Rückkopplungen konnten den Siegeszug des Radios stoppen. Schon 1922, in Zeiten tiefster wirtschaftlicher Depression, hatten ein Bankdirektor, ein Großhändler, ein Großindustrieller und ein Berliner Legationsrat mit der "Deutschen Stunde in Bayern" eine "Gesellschaft für drahtlose Belehrung und Unterhaltung" gegründet. Gegen erste Bedenken des Innenministeriums übrigens, das "mit Rücksicht auf die Notlage des Volkes und auf die Einschränkung aller Lustbarkeiten" die Idee des Unterhaltungsfunks gar nicht goutierte. Im Gegensatz zu Herrn Hochreiter aus Dingolfing! Herr Hochreiter bestätigte am Sonntag, 30. März 1924 die zwischen 17 und 18 Uhr gesendeten Fanfaren, Schubert-Lieder sowie die erste Strophe des Deutschlandliedes absolut störungsfrei empfangen zu haben. Zwar gehörte Hochreiter im Gegensatz zu Prinzessin Pilar von Bayern nicht zu den 600 gelandenen Gästen im Auditorium Maximum der Universität München. Die Prinzessin ("Es war geradezu schockierend, als aus allen Ecken Stimmen und Klänge drangen") konnte in der Uni all das hören, was nur wenige hundert Meter weiter im Motten-Studio produziert wurde. Herr Hochreiter wiederum war einer der 155 Premier-"Radioten", die sich für zwei Reichsmark im Monat bei der Reichspost eine so genannte "Rundfunkempfangslizenz" besorgt hatten. Schon bald erfeuten sich Zeitansagen, Wetterberichte und Börsennachrichten bei ihm - wie auch bei zehntausend zusätzlichen Schwarzhörern - großer Beliebtheit. Durch eine Draht-Verbindung des Empfängers mit einem nassen Biertragerl aus Zinkblech sorgten Radioten übrigens für eine perfekte Erdung, also guten Empfang.

Nur ein halbes Jahr nach der Münchner Premiere wurde auch aus Nürnberg gesendet. Und bald spielte ein eigenes bayerisches Rundfunk-Orchester auf. Die Hörer lauschten gefesselt dem Esperanto-Sprachunterricht, dem Frauenfunk, de, Weiß Ferdl, dem Valentin, den Frühgymnastik-Senungen, dem Landfunk und 1931 - von 82 europäischen Sendern übertragen - dem Interview des bayerischen Radioreproters Otto Willi Gail mit Auguste Piccard, Ballonfahrer. Kurz zuvor war aus der "Deutschen Stunde" die "Bayerische Rundfunk GmbH" geworden, die samt neuem Sendergebäude von nationalsozialistischen Gehirnwäschern für großdeutscehn Schmarrn benutzt wurde. Gut, dass die Amerikaner am 12. Mai 1945 den Jazz in Bayerns Boxen brachten.
Seitdem ist viel passiert. Die BR-Bergsteigersendungen werden heuer 56 Jahre alt, der Pumuckl ist auch schon 42, seit 1966 sendet der BR in Stereo, und das Deutschlandlied hört man nur noch in der dritten Strophe. Danach folgt meist die Bayernhymne. Auf Bayern 4 finden sich wunderschöne Klassik-Sendungen, manchmal sogar im sechskanaligen Rundumklang (Geigen vorne links, Pauken hinten rechts) - und eine Autofahrt ohne B 5 aktuell wird zur Qual. Schade nur, dass Günther Jauch nicht mehr zu hören ist. Der damalige BR-Hörfunkchef Udo Reiter hatte den frechen Moderator, damals war Jauch erst 33, wegen "grob illoyaler" BR-Kritik vorzeitig vor die Tür gesetzt. Seitdem ist zumindest Bayern 3 - darf man das so sagen? - nicht besser geworden. Mit Motten im Studio hat das sicher nichts zu tun.


 

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