Man höre und staune
 

Hörspielfans gründeten eigenes Label


Die Drei Fragezeichen und TKKG kennt jeder. Was aber tun, wenn irgendwann alle Folgen gehört sind? Die Hörspielfans Stephan Bosenius und Marc Gruppe machten ihre Leidenschaft zum Beruf - und gründeten ein eigenes Hörspiel-Label.
 

 


Hilfe! Feuer!" Die alte Mrs. Fane ist in Panik: "Zu Hilfe! Es brennt!" Ergriffen lauscht der Hörer - und nebenbei fällt ihm auf, dass die smarte Stimme des herbei eilenden Jim Steele stark nach Johnny Depp klingt. Und Mrs. Fanes Stimme führt dem kinoerprobten Hörer Susan Sarandon vor Augen. Szenen aus einem Hörspiel von Stephan Bosenius und Marc Gruppe, das sie bei "Titania Medien", ihrem eigenen Hörspiel-Label, produzierten.

Natürlich war Frauenschwarm Johnny Depp nicht persönlich im Wuppertaler Studio, sondern "nur" seine deutsche Synchronstimme David Nathan. "Als kleines Label muss man versuchen, mit dicken Hollywood-Namen Wind zu machen. Und zu fragen kostet nichts", dachten sich Stephan und Marc und sprachen gleich die ganz Großen der Branche an. Schon in den ersten Zügen kam dem Duo Marcs theater- und literaturwissenschaftlicher Studienhintergrund zu Gute: "Die Sprecher haben sich seine Skripte angesehen und waren einverstanden", sagt Stephan, der Erziehungswissenschaften studiert und zurzeit an seiner Diplomarbeit bastelt. So konnten sie Hörspiel-Ikonen wie Dagmar von Kurmin oder den Schauspieler Peer Augustinski, der zum Beispiel Oscar-Preisträger Robin Williams synchronisiert, ins Boot holen. "Die visuelle Ebene fällt beim Hörspiel weg. Eine gute stimmliche Ausbildung ist daher nötig, um ein schnelleres und besseres Ergebnis zu erzielen", erklärt Stephan. "Die Stimmen müssen es schaffen, in Sekundenbruchteilen Emotionen zu vermitteln."
Und das ist mit solchen Profis kein Problem.

Und welche Geschichten setzen Stephan und Marc um? "Wir machen nostalgische Hörspiele mit der Technik von heute", erzählt Stephan. "Die Hörer sollen in der Vergangenheit schwelgen." Unter der Prämisse, nah an der Vorlage zu bleiben, verwenden die Jungunternehmer Literaturklassiker von Koryphäen wie Edgar Wallace, Charles Dickens oder Arthur Conan Doyle. "Material von Autoren, die mehr als 70 Jahre tot sind, kann schließlich lizenzfrei verwendet werden."
Marc Gruppe, der in Bayreuth studiert hat, ist durch langjährige Drehbuch- und Regieerfahrungen prädestiniert, die Literaturvorlagen umzuschreiben und Regie zu führen.

Auf Krimi und Grusel haben sie sich auch aufgrund eigener Vorlieben spezialisiert. "Grusel ist aber nicht gleich Horror", betont Stephan. "Unsere Gruselhörspiele lassen dem Hörer einen wohligen Schauer über den Rücken laufen", sagt der 29-jährige Ratinger. "Das hat mit Horrorfilmen, die man heute im Kino sieht, nichts zu tun." Die Geräusche produzieren Stephan und Marc häufig selbst - in einem der gut ausgestatteten Studios in Berlin oder Wuppertal, in denen die Aufnahmen stattfinden. So erstanden sie ein altes Telefon von 1920, um Wählen und Klingeln authentisch klingen zu lassen. "Schritte im Schnee haben wir mit Hilfe von Wattebäuschen hergestellt", erinnert sich Stephan.
Selbst die Musik stammt nur selten aus der Retorte. Musiker spielen eigens für die jeweilige Produktion komponierte Samples ein.

Aufgewachsen mit Bibi Blocksberg und den Drei Fragezeichen, waren Stephan und Marc schon immer treue Hörspielfans.
Die Idee, ein eigenes Label zu gründen, hatten sie 2002 - und realisierten sie mit dem eigenen Ersparten. Aber nicht, ohne sich vorher monatelang über Existenzgründung, rechtliche Hintergründe, Steuern und Lizenzen informiert zu haben. Ein ziemlich zeitaufwändiges Projekt: "Seit zwei Jahren haben wir kaum ein freies Wochenende", sagt Stephan. "Aber mein Studium hat sich nur wenig verzögert".
Der Aufwand hat sich jetzt schon gelohnt: Der 31-jährige Marc verwirklichte noch während des Studiums seinen beruflichen Traum. Und Stephan stellt sich vor, nach dem Studium einen Halbtagsjob anzunehmen - "als Basis" - und sich den Rest der Zeit dem Label zu widmen. Zusätzliche Motivation dürften die vielen positiven Hörerreaktionen schaffen, die die Qualität der Geschichten und ihre lebendigen Geräuschkulissen loben. Auch die Kritiker sind begeistert - so haben Stephan und Marc schon jede Menge Hörspiel-Awards abgesahnt.

 
 


Autorin: Rebecca Ruhl
UNICUM, Oktober 2005



Mit freundlicher Genehmigung der Unicum-Redaktion und
Rebecca Ruhl

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