München, 18.11.2003 Dichte Nebelschwaden wabern unablässig durch den Saal. Immer ungeduldiger scharrfüßeln Hunderte von Beinpaaren in der ausverkauften Münchner Muffathalle, während sich ihre dazugehörigen Träger den Kopf zerbrechen, ob man hier etwa vom "Nebel des Grauens" umfangen werde, oder - schlimmer noch - gar in eine Szene aus "Die Musik des Teufels" geraten sei. Erst das Ertönen eines Tonbandes macht diese Überlegungen zunichte und sofort ist allen klar: Das Vollplaybacktheater hat wieder zugeschlagen.
Was vor über sechs Jahren im Wuppertaler Theatersommer als Spielerei begann, ist mittlerweile zum Programm geworden. "Banditen, Bars und Butterbrote" heißt das aktuelle Stück, mit dem Thomas, Marcia, David, Britta, Supa Knut, Eva und Thorsten erneut die Eroberung der (Bühnen)Welt durch die visuelle Synchronisation von Hörspielen antreten. Im Mittelpunkt der achten Produktion: Drei Fragezeichen, zwei Fälle und ein Kommissar, der, ausgestattet mit der Stimme von Horst Frank, als Doppelcop und Verbindungsglied der beiden Hörspiele fungiert.
Mit "Die drei ??? und der Doppelgänger" & "Edgar Wallace - Das Gasthaus an der Themse", so der Untertitel des neuen Stücks, setzen die Mitglieder des Vollplaybacktheaters verstärkt auf die Ambivalenz bzw. Sinnenstellung des Gesprochenen durch das Bild. Folglich avanciert die Bibliothek des für Recherchen und Archiv zuständigen Bob Andrews zum verruchten Sammelsurium einschlägiger Männermagazine, während die berühmte Karte der Nachwuchsdetektive als stümperhafte (Dia)Projektion dreier minderbemittelter Möchtegern-Cops im Bühnenhintergrund erscheint: "Wir übernämen jeden Vall".
Gastauftritte der lustigen Lindenhof-Zwillinge Hanni und Nanni, der Killer Vincent Vega und Jules Winnfield ("Pulp Fiction"), diverse Anleihen aus vergangenen VPT-Produktion (u.a. "Toteninsel") sowie der Klang längst vergessen geglaubter Musikstücke machen den Abend zu einer einzigartigen "La Boum" an dessen Ende, wie immer, großes Gelächter steht.

Petra

 

Interview mit David J. Becher vom Vollplaybacktheater
 

Stell Dich doch unseren Lesern bitte kurz vor!

Ich bin David J. Becher, bin 26 Jahre alt und von Anfang an beim Vollplaybacktheater mit dabei. In diesem Stück spiele ich eine Menge Nebenrollen, ich glaube sieben. Außerdem kümmere ich mich ein bißchen um die Öffentlichkeitsarbeit beim VPT.

Kannst Du mal kurz zusammenfassen, um was es in Eurem aktuellen Stück geht?

Wir haben uns im Prinzip an der Stimme von Horst Frank orientiert und zwei Kommissare zu einem gemacht - den Ermittler bei Edgar Wallace und den bei den Drei Fragezeichen - der an zwei Fällen arbeitet, einmal die Entführung von Justus und die Entführung von Lila. Und die Drei Fragezeichen funken immer mal wieder dazwischen, tauchen immer mal wieder auf und lenken ihn ab. Insgesamt haben wir die Szenenkombination so aneinander gelegt, daß die Übergänge am Anfang etwas weiter auseinander sind und das sich hinterher immer mehr zusammenschiebt, daß am Ende, am Showdown, alle da sind.

Wie lange macht Ihr das VPT schon?

Das sind jetzt 6 ½ Jahre. Im Sommer 1997 haben wir angefangen und unsere erste Produktion gemacht. Und seit 1999 gehen wir auf Tournee.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen?

Die Idee stammt von unserem Peter-Darsteller, dem Kapitän Supa-Knut. Der hat so eine Doppelgarage voll mit Zeug, Werkbank und allem möglichen - wo teilweise auch Requisiten entstehen - und da hat er einen leiernden Kassettenrekorder, auf dem man definitiv keine Musik mehr hören kann. Deswegen hat er eben Hörspiele gehört und irgendwann fiel ihm auf, daß er die mitsprechen kann. Weil die Stimmen bei Hörspielen aber doch sehr markant sind wäre es blöd, wenn man das einfach so für die Bühne adaptiert. Also kam dann diese Idee mit dem Vollplayback hinzu und er hat uns, die wir alle schon irgendwie Theater gemacht hatten, angerufen und wir haben einfach mal angefangen. Es ergab sich einfach so, eigentlich war es Spielerei.

Habt Ihr also erst mit kleinem Publikum angefangen?

Ja. In Wuppertal gibt es im Sommer einen sog. "Theatersommer". Während der städtischen Theater-Sommerpause hatten ein paar Veranstalter einen Katalog organisiert, bei dem die ganzen freien Gruppen mitmachen konnten und da haben wir uns ebenfalls einfach angemeldet. Dadurch hatte man einen schönen Rahmen und Proberäume. Allerdings war die Generalprobe furchtbar. Wir haben erst am Tag der Premiere die Bühne stehen gehabt und unseren ersten Durchlauf gemacht und der war so Schei**, daß wir gesagt haben, das können wir nicht zeigen! Dazu kam, daß der Veranstalter rund 70 Plätze bestuhlt hatte und meinte "Seid froh, wenn 50 Leute kommen" und wir waren ein paar Nächte vorher wirklich in ganz Wuppertal rumgefahren und haben überall Plakate hingekleistert. Und tatsächlich kamen hinterher über 150 Zuschauer und wir mußten Leute nach Hause schicken. Es war eine Super-Veranstaltung, es war irgendwie großartig, es hat allen tierisch Spaß gemacht, und dann haben wir weitergemacht. Wir hatten eigentlich nur drei oder vier Termine angesetzt, das war eigentlich nur mal so als ein Projekt geplant. Aber dadurch, daß die Leute gesagt haben, "macht weiter", "auf jeden Fall", fingen wir an, ein bißchen in der Umgebung zu spielen. Irgendwann ist eine Agentur auf uns aufmerksam geworden und man hat uns gefragt, ob wir nicht mal eine Tournee machen wollen und wir dachten: "Ja, klar!" Ja, und seit 1999 sind wir richtig bundesweit unterwegs!

Wie lange braucht Ihr für so eine Produktion wie diese?

Also für die jetzige hatten wir richtig viel Zeit, das heißt wir haben nicht mit viel Druck daran gearbeitet, sondern wir hatten ein Jahr zwischen der letzten Produktion und dieser Zeit gehabt und konnten schon Anfang des Jahres so langsam mit den Überlegungen anfangen, was für Hörspiele nimmt man, was für ein Genre überhaupt...

... da müßt Ihr Euch ja recht gut auskennen in den Hörspielen... sammelt Ihr selber auch Hörspiele?

Es sind so einige Sammler dabei, die viel kennen. Ich selbst habe aber irgendwie gar nicht so eine richtige Hörspielvorgeschichte.

Ihr richtet Euch altersmäßig ja eigentlich an das Publikum der 25 bis 35jährigen, an die sog. "Kassettenkinder"?

Ja, diese Kassettenkinder, genau richtig.

Habt ihr schon mal Ärger bekommen, weil es manchmal doch recht deftig im VPT zugeht und so etwas wie Drogen, Sex, Mord und Totschlag bei den Drei Fragezeichen gar nicht vorkommen?

(Lacht) Nein, eigentlich nicht. Wir haben bspw. zu Europa schon relativ lange einen vernünftigen Kontakt und es ging sogar so weit, daß sie uns gefragt haben, ob wir das mit der "Toteninsel" machen wollten. Ich denke, die wissen es schon zu schätzen, wenn da ein älteres Publikum sitzt, d.h. wenn da ein paar hundert Leute zusammensitzen und ein Hörspiel hören, das ist natürlich für Europa ein Riesenvorteil. Allerdings gab es auch einmal eine Tour, bei der immer ziemlich viele Kinder vorne saßen, ungefähr zwei Reihen, und da haben wir gemerkt, vielleicht muß man manches vorab doch ein bißchen anders erklären (grinst). Mittlerweile schreiben wir möglichst schon im Pressetext "ab 16" mit rein (lacht). Die Kinder, die da waren, haben sich zwar auch immer tierisch amüsiert, aber natürlich die Hälfte nicht verstanden, da mußten sie hinterher noch mal mit ihren Eltern darüber reden (lacht) ...

Was ist das Geheimnis Eures Erfolges?

Wir! (lacht) Es ist, glaube ich, so ein bißchen die Mischung aus diesen Retro-Dingen. Das erstaunliche ist, daß wir 1997 damit angefangen und nicht für fünfzig Pfennig darüber nachgedacht haben, ob aus diesem ganzen Hörspielgeschehen ein Boom werden könnte. Das war wirklich einfach nur aus Spaß. Und ich denke mal, daß hat uns mit Sicherheit eine Menge gebracht, daß dann dieser Hörspielboom ebenfalls parallel anlief: Wir haben dem Hörspielboom ein bißchen geholfen und der uns auch. Das ist auf jeden Fall großartig für uns. Es lohnt sich einfach das VPT zu besuchen, selbst wenn man die Folge schon tausend Mal gehört hat und die Sache kennt, bekommt man sie bei uns nochmal ein bißchen anders präsentiert.

Das heißt es wird weitergehen mit dem VPT?

Das haben wir fest vor, solange wir noch Ideen haben.

Macht Ihr das VPT nebenberuflich?

Jein. Es ist ein Projekt von mehreren. Zwei und ich haben noch so ein Comedyprojekt, manche arbeiten noch bei verschiedenen Kindertheatern mit, dann gibt es eine Sängerin mit einem Soloprojekt, einem Chansonprogramm; alles, was irgendwie mit Bühne zu tun hat machen wir außerdem.


Ihr sprecht mittlerweile auch in der 2. Staffel von den "Drei Klammeraffen" mit, wie kam es dazu?

Der Nikolaus hat das seinerzeit mit dem Knut zusammen entwickelt. Die haben sich beim VPT kennengelernt und dann das eigene Label "Meteor" aufgezogen. Und dadurch blieben auch wir immer in Kontakt und so kam das mit den Klammeraffen. Das ist ebenfalls eine Drei Fragezeichen-Parodie, das paßte einfach stilistisch ganz gut.


 
 



"..., wenn Justus (rechts im Bild) zum Beispiel noch ein bißchen altklüger ist oder umgekehrt mal vollkommen dämlich."

Woher kommt eigentlich Eure Affinität zu den Drei Fragezeichen, die innerhalb des Programmes doch recht dominant sind?

Zum einen haben wir damit angefangen, weil das auch für uns das bekannteste war. Zum anderen, weil alles andere schon irgendwie verfilmt war. Und die Drei Fragezeichen hatten damals eigentlich noch keine Gesichter. Das heißt da mußte man sich nicht nach irgendwelchen bildlichen Vorgaben richten. Es stellt sich zudem immer wieder raus, daß die Leute ständig nach den Drei Fragezeichen fragen, und wenn man eine Parodie macht ist es natürlich sinnvoll, wenn das die Leute vorher kennen. Dann funktionieren die Witze, selbst wenn man mal etwas bricht oder so, wenn Justus zum Beispiel noch ein bißchen altklüger ist oder umgekehrt mal vollkommen dämlich... Allerdings waren wir zwischendurch ein bißchen müde. Nachdem wir mit Drei Fragezeichen angefangen haben, wurde das ein bißchen zur Routine. Die ganze Cassetten sind eben doch relativ ähnlich aufgebaut. Aber seit wir dazu übergegangen sind, die Hörspiele selber zusammen zu schneiden wurden auch die Drei Fragezeichen wieder interessant, weil wir sie in völlig andere Zusammenhänge setzen konnten.

Was ist Dein persönliches Lieblings-Hörspiel?

Das ist ganz schwer zu sagen. Ich habe von den ganzen Kinder- und Jugendhörspielcassetten früher relativ wenig gehört und deswegen bin ich erst spät durch das VPT dazu gekommen. Was ich sehr mag ist diese super trashige Studio Braun John Sinclair-Serie. Ansonsten höre ich sehr gerne Radiohörspiele.

Gibt es momentan schon konkrete Pläne für ein weiteres VPT-Stück?

Noch nicht wirklich, wir haben zwar schon ein bißchen rumüberlegt, müssen jedoch erst mal schauen, was das nächste Stück werden wird.



Das Ensemble des VPT

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