Weihnachtsknisterclub 2006
Die Hörspielnacht im Volkstheater

Münchner Volkstheater, Brienner Straße 50, 80333 München

Jack Pearl

Die Bombe kam
vom Weihnachtsmann

BR 1977, 57 Minuten

Sir Arthur Conan Doyle


Die Weihnachtsgans

BR 1962, 37 Minuten

„Die beiden älteren Herrschaften kommen immer“, sagt Antje Zelnitschek nicht ganz ohne Stolz in der Stimme und zeigt dabei auf ein Pärchen, das sich soeben auf dem mit Nikolausmännern verzierten Kunstrasen niedergelassen hat. Die übrigen Anwesenden, die bereits seit Minuten mit Glühwein und Lebkuchen im Liegestuhl lümmeln, nicken nur kurz, denn schließlich kennt man sich.

Hörspielevents in München sind selten, weshalb alle Lauschwütigen am Donnerstag nur zu gerne die Möglichkeit wahrnahmen, den letzten Knisterclub des Jahres im Volkstheater zu besuchen. „Er wird den Schneemann wegzaubern bei Nacht“ klang es vor Beginn der Veranstaltung durch den Raum, und fast mochte man den lyrischen Wortgebilden, entstiegen aus den Plattentellern von Slam Poetry DJ Rayl Patzak, Glauben schenken.

Nach Charles Dickens ultimativem Festtagsklassiker „Die Weihnachts- geschichte“ hat sich Veranstalterin Zelnitschek dieses Mal für eine längst vergessene Produktion des Bayerischen Rundfunks entschieden. „Die Bombe kam vom Weihnachtsmann“ lautet der augenscheinlich wenig besinnliche Titel des knapp 30 Jahre alten Hörspiels, in dem es um die an Feiertagen verübten Anschläge einer militanten schwarzen Bürgerrechtsgruppe in New York geht. Eine Stunde später atmete der Weihnachtsknisterclub jedoch schon wieder auf, denn schließlich wird auch in dieser Geschichte am Ende alles gut.

Nach einer kurzen Live-Lesung von Nachwuchsschauspieler Andreas Tobias, der neuerdings in der Woyzeck-Inszenierung des Volkstheaters zu sehen ist und Auszüge aus den Werken von Robert Gernhardt und Moritz Rinke präsentierte, hieß es wieder Augen zu, Ohren auf und eintauchen in die Welt von Meisterschnüffler Sherlock Holmes. Zusammen mit seinem Freund Dr. Watson galt es, einen Kriminalfall zu lösen, in dessen Mittelpunkt eine stattliche Weihnachtsgans („Die Weihnachtsgans“, BR 1962) mit seltsamen Inhalt stand: ein Diamant, der sich als jener blaue Karfunkel aus der Schmuckschatulle der Gräfin von Morear erwies und dessen Diebstahl zu den neuesten Sensationsmeldungen der Presse gehörte.

Bei ihren Ermittlungen stoßen Holmes und Watson ziemlich schnell auf den Verdächtigen James Ryder, dem niemand geringeres als der im vorletzten August verstorbene Hans Clarin seine Stimme lieh. Überhaupt war dieser Abend so etwas wie ein akustisches Stelldichein des Who is Who der Synchronbranche, gaben sich neben Clarin doch großartige Sprecherkoryphäen wie Harald Leipnitz, Thomas Piper, Peter Pasetti oder Flori Halm die Ehre; letzterer dürfte zusammen mit Katharina de Bruyn manch einem noch aus den zahlreichen Pumuckl-Geschichten bekannt gewesen sein.

Antje Zelnitschek jedenfalls darf zufrieden sein, denn das, was ihrer Meinung nach schon viel zu lange im Archiv schlummerte und unbedingt gespielt werden mußte, stieß bei den zahlreichen Zuhörern auf große Resonanz. Für alle diejenigen, die 2007 selbst einmal beim kollektiven Hörspaß dabei sein möchten, steht übrigens bereits das nächste Highlight für Januar fest. In „Jesus Christus Erlöser“ (Random House Audio) präsentiert Klaus Kinski seine eigene Fassung des Neuen Testaments.

Der Auftritt in der Berliner Deutschlandhalle am 20.11.1971 gilt mittlerweile als skandalumwitterte Legende, zu der sich der Provokateur in seiner Autobiographie wie folgt äußerte: „Na ja, denke ich, das ist ja wieder wie vor 2000 Jahren. Dieses Gesindel ist noch beschissener als die Pharisäer. Die haben Jesus wenigstens ausreden lassen, bevor sie ihn angenagelt haben.“

Petra

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