Lolli, Brause und "drei ???"

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Wenn Erwachsene zu Kindern werden, oder: "Kidults" auf der Flucht vor Steuererklärung, Job und Miete

Auf dem BH blitzt ein kleiner Snoopy, auf der Party gibt es Wodka mit Brausepulver und zum Einschlafen eine Folge der Detektivserie "Die drei ???". Wer sich in Modelleisenbahn- Ausstellungen, in Comicläden oder bei Carrera-Bahn-Clubs umsieht, wird auf ausgewachsene Männer treffen. Die Erwachsenenwelt, so scheint es, sehnt sich nach Kindheit.

Aus den USA kommt das passende Wort für die Mischung aus Kind und Erwachsenem: die "kidults", zusammengesetzt aus "kid" und "adult". Der gemeine deutsche Kulturkritiker fremdwortelt über die "Infantilisierung der Gesellschaft".

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Gerhard Schröder,
Puppenkanzler auf der Spielzeugmesse


Hotel Mama für die End-Zwanziger
     Längst haben die Medien auch die Nesthocker als Thema für sich entdeckt, die das "Hotel Mama" der eigenen Behausung vorziehen. Und tatsächlich: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lebten im vergangenen Jahr in Deutschland 2,2 Millionen Männer und Frauen im Alter zwischen 21 und 27 Jahren noch bei ihren Eltern. Besonders westdeutsche Männer der Jahrgänge 1972 bis 1981 werden einer Studie zufolge erst spät flügge - sie wohnen im Schnitt noch bis 26 zu Hause.

Kindisches allerorten: In Hamburg gibt es eine Kneipe, in der Männer Micky-Maus-Hefte lesen und spielen dürfen, so lange die Freundin beim Einkaufen ist. In der Werbung löffelt eine Frau aus einem Babygläschen ihr Kompott, Bonanzaräder und altmodische Rollschuhe sind wieder aufgetaucht, an den Tankstellen locken die Lollis - und Zauberlehrling Harry Potter hat auch viele erwachsene Fans.

Die Casting-Show als Kindergeburtstag
     Moderatorin Tita von Hardenberg mokierte sich vor zwei Jahren in der "Zeit" über die "Hello-Kitty-Hysterie", jenes japanische Kätzchen, das auf Tassen, Handtaschen und Duschhauben prangt. "Alle Welt macht auf niedlich und will dafür auch noch geliebt werden", klagte sie.

???-Abende in Bars und Clubs
     Exemplarisch für die Sehnsucht nach der Kindheit ist der Boom bei den "drei ???"-Kassetten. Ende der 90er Jahre wurden die Abenteuer der drei Detektive Justus, Peter und Bob wiederentdeckt. Heute verkauft sich jede Folge etwa 100.000 Mal. Fast dreiviertel der Käufer sind Erwachsene, die Fans treffen sich im Internet oder organisieren Hörspielabende in Bars und Clubs. "Hörspiel hören ist wie ein altes Fotoalbum angucken", sagt Corinna Wodrich, Produktmanagerin bei Europa. Wer den "drei ???" lauscht, klinkt sich aus der Realität aus - und vergisst für einen Moment die Härten der Erwachsenenwelt wie Steuererklärung, Job und Miete.

Der Trend zum Kindlichen ist kein rein deutsches Phänomen. In Amerika sind kuschelige Schlafanzughosen mit Füßlingen wie bei Baby-Strampelanzügen auf dem Markt, der Sender Cartoon Networks hat unter den 18- bis 49-Jährigen mehr Zuschauer als CNN. Der durchschnittliche Videospiel-Fan ist 29 Jahre alt, 1990 war er noch 18. Das Ganze sei ein Phänomen der urbanen Oberschicht, diagnostizierte die "New York Times".
 



Videospiele müssen heute den Ansprüchen 30-Jähriger genügen

In England nahm sich der Soziologie-Professor Frank Furundi des Themas an, nachdem er Studenten beim "Teletubbies"-Gucken in der Bar beobachtet hatte. "Das Erwachsensein hat nichts Attraktives mehr", sagte er der Zeitung. "Das ist eigentlich ziemlich traurig."

von Caroline Bock, dpa

Zum Original-Artikel auf ZDF.de


 

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