Als der Fernsehreporter
Peter Barter auf der Fahrt ins Studio tot zusammenbricht, ist eine
offizielle Erklärung schnell gefunden: Herzschlag. Erst die
Obduktion des Verstorbenen ergibt, daß der Sensationsjournalist
durch eine winzige Nadel im Gehirn ums Leben gekommen ist: "Material
feinster Iridiumstahl. Länge 38,4 mm. Die Stahlnadel hat den
Schädelknochen des Getöteten glatt durchschlagen." Das
mysteriöse Ereignis ruft bei den Ermittlern von BKA und Interpol
exakte Reminiszenzen an einen Mord hervor, der bereits etliche Jahre
zurückliegt. Auch damals wurde ein Mann am Steuer seines Wagen
von einem anderen Auto aus mit einem Luftgewehr erschossen. Obwohl
der Fall seinerzeit nicht in die Kriminalgeschichte einging, weil
"Hitler und der braune Spuk" bereits ihre Schatten vorauswarfen,
erinnert das Verbrechen in seiner Ausführung an die Methoden
des wahnsinnigen Genies Dr. Mabuse. Doch Mabuse starb bereits 1932
im Irrenhaus, oder...? Während Fritz Lang sein künstlerisches
Schaffen Anfang der 1960er Jahre mit dem Kinoremake von "Die 1000
Augen des Dr. Mabuse" beendete, startet man bei Eichborn LIDO mit
dem gleichnamigen Titel erst in eine neue Hörbuch-Ära.
Kein Buch, sondern die original Tonaufnahmen aus dem letzten Werk
des 1976 verstorbenen Lang bildeten die Grundlage für den "Grusel-Krimi"
im Audioformat, mit dem sich Produzent Sven Michael Schreivogel
einen lange gehegten Traum erfüllen konnte. Schreivogel, der
schon als Kind mit seinem Kassettenrekorder Hörspiele aufgenommen
hat, präsentiert dem Zuhörer jedoch keine bloße
Aneinanderreihung ausgewählter Filmszenen. Vielmehr bedient
er sich immer dort dem Mittel eines kommentierenden Erzählers,
wo Dialoge und Hintergrundgeräusche allein das Geschehen nicht
erklären würden. Indem Wolf Frass einzelne Handlungsabschnitte
zusammenfaßt und gleichzeitig die Fragen, die sich die Beteiligten
angesichts der mysteriösen Vorkommnisse stellen, artikuliert,
wird er selbst fast unmerklich zu einem Teil der Geschichte. Die
Stimme des Theaterschauspielers und Synchronsprechers ist derart
markant, daß Frass sogar einer Filmgröße wie Gert
Fröbe (Kommissar Kras) nahezu den Rang abläuft. Allerdings
mildert das den Genuß in keiner Weise, was wohl auf die gesamte
Qualität des Hörspiels verweist. Während Kritiker
in der Vergangenheit vielfach die schlechte Tonqualität der
im Januar 2003 erschienen DVD bemängelt haben, ist bei der
Hörspielfassung von "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" kein störendes
Knistern und Knacken zu vernehmen. Optisch kann die im Februar 2005
erschiene Produktion vor allem durch das relativ umfangreich gestaltete
Booklet überzeugen. Neben der Trackauflistung und den üblichen
Film- bzw. Sprecherdaten erfreuen ein Abriß über die
Faszination des Dr. Mabuse-Stoffs, ein Kurzportrait über CCC-Studio-Gründer
Artur Brauner sowie zahlreiche Schwarz-Weiß-Bilder, die schon
vor dem Hören ein nostalgisches Flair aufkommen lassen. Einziger
Schönheitsfehler der an sich uneingeschränkt empfehlenswerten
Neuerscheinung ist die uneinheitliche Angabe der Spielzeit auf Hülle
(ca. 55 Min.) und CD (74:49). Tatsächlich hat man gegenüber
der Verfilmung nur eine knappe Stunde Zeit, das Geheimnis um den
Mord an Peter Barter und damit um den vermeintlichen Tod des Dr.
Mabuse zu lüften.
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