© by Antje Kunstmann Verlag, München 2002, 2 CDs, Länge:158:56 Minuten

Ich bin meine eigene Frau sollte auf dem Gedenkstein von Charlotte von Mahlsdorf stehen, die vor knapp vier Jahren (30.04.2002) bei einem Deutschland-Besuch völlig überraschend verstarb. Einwände der Angehörigen sowie eine ungeklärte Nachlaßfrage führten am Ende jedoch dazu, daß die Inschrift weniger an Lottchen, sondern viel mehr an den Museumsgründer Lothar Berfelde erinnert.

Was der Förderverein Gutshaus Mahlsdorf e.V. seinerzeit nicht auf roten Sandstein bannen durfte, bleibt trotzdem als unerschütterliche Lebensmaxime erhalten. Obwohl "Ich bin meine eigene Frau" bereits Anfang der 90er Jahre in gedruckter Form die Bestsellerlisten erklomm, bewahrt die gleichnamige Hörbuch-Produktion aus dem Münchner Verlag Antje Kunstmann die Geschichte eines Menschen, der seinerseits von dem Gedanken beseelt war, etwas für die Nachwelt zu erhalten, ungleich stärker. Weitergehen sollte es und nicht sinnlos enden, das war Charlotte von Mahlsdorf Wunsch, die den Zuhörer auf eine Reise durch die deutsche Vergangenheit mitnimmt. Sehr diszipliniert und mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit wird hier von den Irrungen und Wirrungen des 1928 in Mahlsdorf geborenen Lothar Berfelde erzählt, der bereits früh erkennt, daß sich die Natur einen Scherz mit ihm erlaubt hat. Während der übermächtige und äußerst brutale Vater für seinen allzu zarten Sprößling eine Soldatenlaufbahn anstrebt, bewundert dieser sich viel lieber in den Kleidern seiner Mutter. Einzig der Großonkel erkennt und akzeptiert das mädchenhafte Wesen des Jungen und erweist sich als wahrer Verbündeter, nicht nur, wenn es um die Sammelleidenschaft seines Neffen für alte Möbel geht. Sehr offen, manchmal fast ein bißchen zärtlich-naiv erfährt man von der ersten große Liebe zu dem 17jährigen Christian ebenso wie von der Tatsache, daß selbiger unter dem Regime der Nationalsozialisten in Minsk ermordet wurde. Als Jude ist er einer von zahlreichen Randständigen, die jenseits der sogenannten "Norm" in Charlottes Leben eine Rolle spielten.


Obwohl von Mahlsdorf, so Berfeldes späterer Künstlername, manchmal zu seltsamen Betonungen beim Lesen neigt, bleibt sie trotzdem immer authentisch und das vor allem an jenen Stellen, die ihrer unerschütterlichen Liebe zu alten Gründerzeitmöbeln gelten. Das aufwendig gestaltete Booklet zeigt die leidenschaftliche Sammlerin zwischen ihren Schätzen und läßt erahnen, daß auch die damit verbundenen Geschichten der einstigen Besitzer nicht verloren sind und das um so mehr, als Lottchen ihnen ein ganzes Museum widmete. Das Charlotte von Mahlsdorf, die später in Schweden lebte, nur wenige Tage nach dem Einsprechen ihrer persönlichen Lebensgeschichte einem Herzinfarkt erlag, ist tragisch, nicht nur, weil man sich nach knapp drei Stunden Unterhaltung einem offenen Ende gegenüber wähnt, dessen letzte Kapitel noch lange nicht geschrieben waren.

Petra

 

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