Tibbe
ist Journalist und die Artikel, die er verfaßt,
sind nett, manchmal sogar besonders nett. Allerdings
steht nie eine Neuigkeit darin. Denn Tibbe schreibt
ausschließlich über Katzen und, entsprechend
der Jahreszeit, über den Frühling. Das muß
anders werden, findet zumindest Tibbes Chef. Aber der
Nachwuchsreporter ist schüchtern und außerdem
liebt er die kleinen Samtpfoten über alles. Da
kommt ihm die geheimnisvolle Minusch gerade recht. Als
er der rothaarigen Dame jedoch zum ersten Mal begegnet,
sitzt diese vollkommen verängstigt in der Krone
einer hohen Ulme, und auch die zweite Begegnung der
beiden läuft nicht weniger seltsam ab. Eigentlich
will Tibbe zu Hause nur seinen Kater Fluff füttern.
Nachdem er die Küchentür geöffnet hat,
sieht er anstelle des grauen Stubentigers plötzlich
ein merkwürdiges Etwas im Mühleimer herumwühlen:
Es ist die Frau aus dem Baum. Ihre Haare hängen
strähnig herab, ihr Kostüm ist vom Regen naß
und zerknittert und zu allem Überfluß hat
sie obendrein noch eine große Fischgräte
im Mund. Entschuldigen Sie bitte, ich habe gerade auf
dem Dach mit Ihrem Kater Fluff geplaudert und dann roch
es so gut und deshalb bin ich durchs Fenster geklettert.
Die Art, wie Kathrin Angerer in dieser Eingangsszene
das leicht verlegene Wollknäuel mimt, läßt
einem sofort das Herz aufgehen und das, obwohl nicht
jedermann sofort klar sein dürfte, daß Katzendame
Minusch in der Tat ein Mischwesen ist. Nachdem sie zusammen
mit einer ihrer zahlreichen Schwestern aus der Mülltonne
der Deodorant-Fabrik gefressen hat, ist sie zwar äußerlich
zu einem Menschen mutiert, vereint aber innerlich weiterhin
tierische Kennzeichnen: Minusch reibt ihr Köpfchen
an Tibbes Ärmel und es behagt ihr, in einem alten
Pappkarton auf dem Fußboden zu schlafen. Sogar
gegen Mäuse hat sie kulinarisch nichts einzuwenden,
und daß sie nachts über Dächer und durch Gärten
spaziert, versteht sich fast von alleine - miau.
|
Für
den Zeitungsfritzen, wie Tibbe gehässig von der
Streunerkatze Schluderpuss genannt wird, ist das wunderliche
junge Fräulein bald mehr als bloß ein haariger
Mitbewohner. Er, der kurz davor steht, seinen Job bei
der Zeitung zu verlieren, bekommt so etwas wie einen
weiblichen Deus ex machina direkt ins Haus geliefert.
Vollkommen unerwartet tritt Minusch genau zu dem Zeitpunkt
ins das Leben des jungen Mannes, als dieser ihre Hilfe
am meisten brauchen kann. Auf ihren allabendlichen Streifzügen
durch das Wohnviertel erfährt sie nämlich
all das, was ihr Besitzer die Menschen nie zu fragen
gedenken würde. Der sog. "Katzenpressedienst" liefert
fortan die aktuellsten Nachrichten, die Tibbe lediglich
aufschreiben muß. Doch eines Tages ist seine schnurrende
Gefährtin selbst auf Unterstützung angewiesen.
Denn ausgerechnet vom Vorsitzenden des Vereins der Tierfreunde,
Herrn Ellenmass (Helmut Krauss), wird ihre Freundin
Schluderpuss zum Krüppel geschlagen. Wenn das kein
Fall für die Presse ist, denkt Minusch. Doch Katzen
sind keine Neuigkeit, sagt der Chefredakteur. Ob der
zwielichtige Ellenmass überführt werden
kann, wird hier nicht verraten. Entscheidend ist vielmehr,
daß Minusch sich am Ende der Geschichte zwischen
ihrem alten Leben als Vier- und ihrer neuen Existenz
als Zweibeiner entscheiden muß, obwohl "Du Mensch"
unter Gleichgesinnten früher doch zu den schlimmsten
Schimpfwörtern zählte. Nachdem das Jugendbuch
der im Mai 1995 verstorbenen Niederländerin Annie
M. G. Schmidt bereits 2002 für die Kinoleinwand
adaptiert wurde, hat der SWR "Die geheimnisvolle Minusch"
zwei Jahre später erstmals im Hörformat maunzen
lassen. Was als modernes Märchen beginnt, entwickelt
sich schnell zu einem Spiegel der menschlichen Sozialstruktur
auf tierischer Ebene. Sei es die wunderbar verwegen
von Angelika Bartsch gesprochene Straßenkatze
Schluderpuss oder der hinterhältige Schulkater
- sie alle scheinen uns im wahren Leben schon einmal
begegnet zu sein. Und trotzdem: Im Mittelpunkt der tierischen
Verwicklungen steht eindeutig Minusch, was nicht zuletzt
an der großartigen Leistung Kathrin Angerers liegt.
Wenn Angerer miaut, schnurrt und für ein bißchen
Gerechtigkeit in der Stadt faucht, fühlt man sich
unweigerlich an die "Fabelhafte Welt der Amélie"
und den Versuch erinnert, der Welt das Gute ein bißchen
wieder zu geben. Für die insgesamt 10 Tracks mit
einer 55minütigen Gesamtlaufzeit sowie einer wahrhaft
positiven Katzenmusik (u.a. Vibraphon, Klarinette, Violine)
im Hintergrund vergeben die Hörspielhelden drei
von vier möglichen Pfoten.
(Externer
Link zum DAV - Der Audio-Verlag)
Minusch Tibbe Bibi Jansen Ellenmass Schluderpuss Erzählerin u.a.
Regie Bearbeitung
|
Kathrin
Angerer Jona Mues Rebecca Szerda Heinrich
Giskes Helmut Krauss Angelika Bartsch Irm
Hermann
Oliver
Sturm Andrea Otte
|
Produktion
SWR 2004 © 2005 Der Audio Verlag
GmbH
|
Petra
|