Testfahrer
von K.W. Kanem

Peter Simon:
Herr Simon:
Frau Simon:
Martin Gerlinger:
Herr Linsen:
Herr Oberdörfer:
Herr Neugebauer:
Rudi Krüger:
Sportreporter:
Journalist:

Regie:
Ton:

Andreas von der Meden
Michael Weckler
Christine Venske
Jörgpeter Ahlers
Jochen Richert
F.J. Steffens
Kurt Birr
H. Tennigkeit
Peter Kirschberger
Dieter Dompfaff

Hartmut Kiesewtter
Werner Pohl

 ZEBRA Jugendserie
91.268
Produktionsjahr: keine Angaben

Testfahrer

Heulende Motoren, quietschende Reifen und Fahrer, die Benzin im Blut haben - welcher pubertierende Junge träumt nicht von Sportwägen, Rennautos oder schnellen Motorrädern?
Auch in meiner Jugend gehörte es einfach dazu, daß man schon von weitem die Marke eines vorbeifahrenden Autos erkannte, inklusive genauem Bautyp und Motorisierung mit präzisen PS-Angaben; selbst in der Welt der hochgezüchteten Sportwagen mußte man sich auskennen. Das nötige Fachwissen verfeinerten wir in unserer Grundschul-Clique durch stundenlanges Quartett-Spielen bis zur Perfektion.

Selbstverständlich wollten wir auch Rennfahrer, Testfahrer oder Stundmans werden... und übten dafür in unserer Siedlung mit unseren Fahrrädern, bis die Reifen platzten - die wahren Helden damals in den 1980er Jahren natürlich auf total hippen BMX-Rädern, die anderen ruinierten notfalls Muttis Einkaufsrad!

Genau in diese Jungenträume von Motoren, PS und Fahrkünsten taucht das Hörspiel "Testfahrer" von K.W. Kanem ein, indem es den Hauptschüler Peter Simon von seinem Berufswunsch erzählen läßt. Zusammen mit seinem Freund Martin sehnt er sich nach einem spannenden Leben als Werksfahrer für einen Reifenhersteller oder einen Autokonzern; zwar haben die beiden 15jährigen Jungs bisher nur einen Mopedführerschein, doch wird schon fleißig an den "heißen Öfen" gebastelt und herumgeschraubt...
Andreas von der Meden - später nicht nur die Stimme von Skinny Norris und dem Chauffeur der Drei Fragezeichen, Morten, sondern auch von Michael Knight in Knight Rider - verkörpert hierbei den pupertierenden Mofa-Helden perfekt: man kann ihn sich richtig bildlich vorstellen... lange Haare, Pickel, beginnender Oberlippenbart, enge Jeans und zerfranste Jeansjacke mit einem Aufnäher von AC/DC... und natürlich einen Fuchsschwanz am frisierten Mofa!


Der Hautschulabschluß und damit der Ernst des Lebens steht für den Protagonisten unseres Hörspiels kurz bevor. Peter versucht zwar durchaus in seiner Zukunftsplanung realistisch zu sein - so ist Rennfahrer für ihn nur noch "so ein Traum", an dessen Erfüllung er nicht mehr so recht glauben möchte -, aber den besorgten Eltern ist selbst der Berufswunsch "Testfahrer" sehr suspekt. Also wird der Junge von seiner Mutter zur Berufsberatung des Arbeitsamtes geschleift. Dort scheinen die Jugendträumereien an der Realität wie Seifenblasen zu blatzen, denn Peter erhält den wohlgemeinten, aber nüchternen Ratschlag, lieber erst den Ausbildungsberuf des KFZ-Mechanikers anzustreben.
Verständlicherweise wehrt sich der Junge gegen die Altklugheit der Erwachsenen, fängt einen Streit mit seiner armen Mutter an und flüchtet mit seinem Kumpel ins Kino, wo "Mike Brandon, der junge Rennfahrer, der Furore macht, alle schlägt" - ein wahres Vorbild, nur, daß der Held am Ende immer eine "geschminkte Diva bekommt", finden die Jungs irgendwie doof...
Leider hat das Hörspiel schon zu Beginn die Lösung des Generationenkonflikts zwischen Peters ursprünglichem Berufsziel und den Vorstellungen seiner Eltern vorweggenommen. Doch durch die flotte Erzählweise des Hörspiels vergißt man beinahe, daß der Junge rückblickend als Mechanikerlehrling seine Entscheidungsfindung in der Berufswahl schildert. Gespannt wartet man auf die Auflösung des altbekannten Konflikts, den Peters Freund Martin treffend auf den Punkt bringt: "Gepaukt haben wir ja in der Schule genug, daß wir jetzt endlich mal was leisten wollen, das traut man uns ja nicht zu!"
Gerade an dieser Stelle offenbart das Hörspiel klassische 1970er Pädagogik in Reinform. Als Peter viel zu spät aus dem Kino nach Hause kommt, erwartet ihn keine Standpauke für sein aufmüpfiges Verhalten; stattdessen macht der verständnisvolle Vater einen einmaligen Vorschlag: Er wird dem Sohn einen Besuch auf einer Teststrecke vermitteln! Beflügelt von der Aussicht, zusammen mit dem alten Freund des Vaters, dem Journalisten Herbert Linsen, die Welt des Automobils hautnah ergründen zu können, träumt der Teenager gleich von einer Rennfahrerkarriere à la Mike Brandon, seinem Filmidol; dabei kommen selbst die ach so doofen geschminkten Diven nicht zu kurz, denn sehr zu Erheiterung des älteren Hörspielfans spricht der schlaftrunkene Junge seine Mutter beim Wecken mit dem Namen der Filmschönheit seines Kinohelden an!
In der Phantasie Peters bedeutet der Berufsalltag als Testfahrer ein rasantes Leben auf der Teststrecke. Doch bald schon offenbart sich dem Jungen die Realität: Auf einer Werksstrecke darf er zusammen mit Herrn Linsen das Testfahrerteam von Herrn Neugebauer bei seiner Arbeit beobachten und muß enttäuscht feststellen, daß der so sehnsuchtsvoll angestrebte Beruf nicht nur Highspeed in getunten Wagen bedeutet! Schließlich werden die Autos vor allem auf ihre Alltagstauglichkeit überprüft. Von den Technikern, die Peter bei einer Testserie zu einer neuen Klimaanlage in einem 75 PS starken Tourenwagen mit 1,9 Liter Hubraum begleiten darf, erfährt er noch mehr über die Arbeit eines Testfahrers. Dieser Beruf hat - wie auch der Beruf des Autosport-Journalisten Brenner, den Peter später auch noch kennenlernen wird - nichts mit Raserei zu tun, dafür aber mit guten Leistungen in Ausbildung und Schule. Dies hätte sich der Junge so von seinen Eltern niemals sagen lassen!
Im zweiten Teil des Hörspiels kommt der pädagogische Impetus recht intensiv zur Geltung, jedoch wird dadurch der Hörgenuß in keinster Weise geschmälert. Dank der Erzählerperspektive, die den jungen Helden direkt zu den Hörern sprechen läßt, wird diese versteckte Berufsberatung zu einem absoluten Highlight richtig verstandener antiautoritärer Pädagogik.
Die Enttäuschung Peters über die Realität seines Traumberufs weicht schnell der Einsicht, daß Wissen und Ausbildung der Schlüssel zum Erfolg sind. Also tritt der  junge Mann beim Werkstattleiter Bachmann eine KFZ-Mechanikerlehre an.

Insgesamt ist das Hörspiel absolut empfehlenswert - selbst über die wenigen Stellen, an denen die Berufsberatung beinahe ein wenig penetrant wird, hilft die überragende Sprecherleistung von Andreas von der Meden spielend hinweg.
In der "schönen heilen Welt" der 1970er Jahr scheint  das Thema Jugendarbeitslosigkeit noch keine Rolle gespielt zu haben, vielmehr transportiert das Hörspiel die Botschaft, daß die Zukunft in der Hand einer gut ausgebildeten Jugend liegt - angesichts der momentanen Krise des Wirschaftsgiganten Deutschlands ein topaktueller Denkansatz!

Michael

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