Selbstverständlich
wollten wir auch Rennfahrer, Testfahrer
oder Stundmans werden... und übten dafür in unserer Siedlung mit
unseren Fahrrädern, bis die Reifen platzten - die wahren Helden
damals in den 1980er Jahren natürlich auf total hippen BMX-Rädern,
die anderen ruinierten notfalls Muttis Einkaufsrad!
Genau in
diese Jungenträume von Motoren, PS und Fahrkünsten taucht
das Hörspiel "Testfahrer" von K.W. Kanem ein, indem
es den Hauptschüler Peter Simon von seinem Berufswunsch erzählen
läßt. Zusammen
mit seinem Freund Martin sehnt er sich nach einem spannenden Leben
als Werksfahrer für einen Reifenhersteller oder einen Autokonzern;
zwar haben die beiden 15jährigen Jungs bisher nur einen Mopedführerschein,
doch wird schon fleißig an den "heißen Öfen"
gebastelt und herumgeschraubt... Andreas von der Meden - später
nicht nur die Stimme von Skinny Norris und dem Chauffeur der Drei
Fragezeichen, Morten, sondern auch von Michael Knight in Knight
Rider - verkörpert hierbei den pupertierenden Mofa-Helden
perfekt: man kann ihn sich richtig bildlich vorstellen... lange
Haare, Pickel, beginnender Oberlippenbart, enge Jeans und zerfranste
Jeansjacke mit einem Aufnäher von AC/DC... und natürlich
einen Fuchsschwanz am frisierten Mofa!
Der Hautschulabschluß
und damit der Ernst des Lebens steht für den Protagonisten
unseres Hörspiels kurz bevor. Peter versucht zwar durchaus
in seiner Zukunftsplanung realistisch
zu sein - so ist Rennfahrer für ihn nur noch "so ein Traum", an dessen Erfüllung
er nicht mehr so recht glauben möchte -, aber den besorgten Eltern
ist selbst der Berufswunsch "Testfahrer" sehr suspekt.
Also wird der Junge von seiner Mutter zur Berufsberatung des Arbeitsamtes
geschleift. Dort scheinen die Jugendträumereien an der
Realität wie Seifenblasen zu blatzen, denn Peter erhält
den wohlgemeinten, aber nüchternen Ratschlag, lieber erst
den Ausbildungsberuf
des KFZ-Mechanikers anzustreben. Verständlicherweise wehrt sich der
Junge gegen die Altklugheit der Erwachsenen, fängt einen Streit
mit seiner armen Mutter an und flüchtet mit seinem Kumpel ins
Kino, wo "Mike Brandon, der junge Rennfahrer, der Furore
macht, alle schlägt" - ein wahres Vorbild, nur, daß der Held am Ende
immer eine "geschminkte Diva bekommt", finden die Jungs
irgendwie doof... Leider hat das Hörspiel schon zu Beginn
die Lösung des Generationenkonflikts zwischen Peters ursprünglichem
Berufsziel und den Vorstellungen seiner Eltern vorweggenommen. Doch
durch die flotte Erzählweise des Hörspiels vergißt
man beinahe, daß der Junge rückblickend als Mechanikerlehrling
seine Entscheidungsfindung in der Berufswahl schildert. Gespannt
wartet man auf die Auflösung des altbekannten Konflikts, den
Peters Freund Martin treffend auf den Punkt bringt: "Gepaukt
haben wir ja in der Schule genug, daß wir jetzt endlich mal
was leisten wollen, das traut man uns ja nicht zu!" Gerade
an dieser Stelle offenbart das Hörspiel klassische 1970er Pädagogik
in Reinform. Als Peter viel zu spät aus dem Kino nach Hause
kommt, erwartet ihn keine Standpauke für sein aufmüpfiges
Verhalten; stattdessen macht der verständnisvolle Vater einen
einmaligen Vorschlag: Er wird dem Sohn
einen Besuch auf einer Teststrecke vermitteln! Beflügelt von
der Aussicht, zusammen mit dem alten Freund des Vaters, dem Journalisten
Herbert Linsen, die Welt des Automobils hautnah ergründen zu
können, träumt der Teenager gleich von einer Rennfahrerkarriere
à la Mike Brandon, seinem Filmidol; dabei kommen selbst die ach
so doofen geschminkten Diven nicht zu kurz, denn sehr zu Erheiterung
des älteren Hörspielfans spricht der schlaftrunkene Junge
seine Mutter beim Wecken mit dem Namen der Filmschönheit seines
Kinohelden
an! In der Phantasie Peters bedeutet der Berufsalltag als Testfahrer
ein rasantes Leben auf der Teststrecke. Doch bald schon offenbart sich dem Jungen die Realität: Auf
einer Werksstrecke darf er zusammen mit Herrn Linsen das Testfahrerteam
von Herrn Neugebauer bei seiner Arbeit beobachten
und muß enttäuscht feststellen, daß der so sehnsuchtsvoll
angestrebte Beruf nicht nur Highspeed in getunten Wagen bedeutet! Schließlich
werden die Autos vor allem auf ihre Alltagstauglichkeit überprüft.
Von den Technikern, die Peter bei einer Testserie zu einer neuen
Klimaanlage in einem 75 PS starken Tourenwagen mit 1,9 Liter Hubraum
begleiten darf, erfährt er noch mehr über die Arbeit eines
Testfahrers. Dieser Beruf hat - wie auch der Beruf des Autosport-Journalisten
Brenner, den Peter später auch noch kennenlernen wird - nichts
mit Raserei zu tun, dafür aber mit guten Leistungen in
Ausbildung und Schule. Dies hätte sich der Junge so von seinen
Eltern niemals sagen lassen! Im zweiten Teil des Hörspiels
kommt der pädagogische Impetus recht intensiv zur Geltung,
jedoch wird dadurch der Hörgenuß in keinster Weise geschmälert.
Dank der Erzählerperspektive, die den jungen Helden direkt
zu den Hörern sprechen läßt, wird diese versteckte
Berufsberatung zu einem absoluten Highlight richtig verstandener
antiautoritärer Pädagogik. Die Enttäuschung Peters
über die Realität seines Traumberufs weicht schnell der
Einsicht, daß Wissen und Ausbildung der Schlüssel zum
Erfolg sind. Also tritt der junge Mann beim Werkstattleiter Bachmann eine
KFZ-Mechanikerlehre an.
Insgesamt
ist das Hörspiel absolut empfehlenswert - selbst über
die wenigen Stellen, an denen die Berufsberatung beinahe ein wenig
penetrant wird, hilft die überragende Sprecherleistung von
Andreas von der Meden spielend hinweg. In der "schönen
heilen Welt" der 1970er Jahr scheint das Thema Jugendarbeitslosigkeit
noch keine Rolle gespielt zu haben, vielmehr transportiert das Hörspiel
die Botschaft, daß die Zukunft in der Hand einer gut ausgebildeten
Jugend liegt - angesichts der momentanen
Krise des Wirschaftsgiganten Deutschlands ein topaktueller Denkansatz!
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