The good old radio days - seit es den Menschen
Ende des vorletzten Jahrhunderts gelungen ist, den Schall auf Edison-Zylinder,
Schallfolien, Platten und Magnet-Bänder zu bannen, hatten
Kinder ihre Hörspielhelden - die ersten Generationen
als Radio-, die späteren als Schallplatten- oder Kassettenhelden.
Doch bis zum heutigen Tag vereint alle kleinen Hörer die
Faszination für das, was Kasperl zu erzählen hat: Aus
diesem Grund stellt die Produktion "Was Kinder gerne hör(t)en"
des Deutschen Rundfunkarchivs (DRA) ein wahres kulturgeschichtliches
Juwel dar, das wohl die ältesten, jahrzehntelang in Vergessenheit
geratenen Kinderhörspiele der deutschen Rundfunkgschichte versammelt.
In den 1930er und 1940er Jahren entwickelte
sich vor allem in den USA eine breite Unterhaltungskultur
des Radios, der Woody Allen in seinem Spielfilm "Radio days" von
1987 ein cineastisches Denkmal gesetzt hat. Zur gleichen Zeit musste
Deutschlands "Volksempfänger" in den dunklen zwölf Jahren des sogenannten tausendjährigen
Reichs eine zweifelhafte
Propagandarolle spielen. Ein wenig tröstlich ist angesichts
der historischen Katastrophe, dass auch in dieser Zeit Kinderlieder
wie "Backe, backe Kuchen" oder "Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann" ohne ideologische
Verbrämung gesungen worden sind.
|
Obwohl das DRA bereits seit Jahren CDs mit
verschiedenen Raritäten aus den umfassenden Magazin-Beständen veröffentlicht
hat, liegt erstmals mit der Zusammenstellung dieser historischen
Aufnahmen aus den 1930er bis 1950er Jahren eine Kinder-CD
vor. Damit junge wie alte Hörer die dort versammelten Lieder
auch heute noch mitsingen können, finden sich in dem liebevoll gestalteten
Begleitheft alle Texte. Zudem bietet die genaue Einführung
zusammen mit den Produktions- und Aufnahmedaten einen guten Einblick
in die frühe Radiogeschichte des Kinderfunks.
Mögen die Kinderlieder vor allem nostalgischen Wert besitzen
und einer älteren Generation durch die Erinnerung an frühere
Zeiten eine akustische Freude bereiten, wie es sich die Initiatoren
der Kompilation gewünscht haben, so gehören die insgesamt
drei Kinderhörspiele zu den absoluten Raritäten dieser
Zusammenstellung, die zum Selbstkostenpreis von fünf Euro im
Webshop des DRA zu bestellen ist. Den Anfang macht mit "Radau um
Kasperl" eines der ältesten deutschen Kinder-Hörspiele
aus
der Feder Walter Benjamins (1892-1940). Das Kasperl-Hörspiel ist die einzige Rundfunkarbeit
des Berliner Schriftstellers jüdischer Herkunft, die als unvollständiges Tondokument von
1932 erhalten ist. Benjamin, der sich auf der Flucht vor den Nationalsozialisten
1940 das Leben
nahm, versuchte in diesem Hörspiel, den Kindern das Medium
Hörfunk spielerisch zu vermitteln. Trotz der fragmentarischen
Überlieferung
stellt es ein mit seiner feinen Ironie besonders für Erwachsene
beeindruckendes Vermächtnis dieses Schriftstellers dar.
Auch der Autor des zweiten Kasperl-Hörspiels wurde ein
Opfer des
Nationalsozialismus, denn wegen seiner demokratischen Einstellung
machten die neuen Machthaber Hermann Kasack ab 1933 durch ein striktes Berufsverbot mundtot.
Bis 1941 blieb der 1896 geborene Schriftsteller, Rundfunkautor und
Lektor daher nahezu ohne Erwerb, obwohl er vor der Machtübernahme
erfolgreich für den Rundfunk
arbeitete.
Buchausgabe
von 1935
|
"Tulls Kinderolympiade" stammt ebenfalls aus der Feder Kasacks, jedoch verfasste
er es 1932 unter dem Pseudonym Hans Marten. Das dritte Hörspiel
dieser Zusammenstellung, bei dem
Bruno Fritz als Tull eine Olympiade mit Kindern organisiert, dabei
spielerisch Wissen vermittelt und gleichzeitig die jungen Hörer
mit in das Geschehen einbindet, indem sie zum Beispiel beim Nachahmen
von Tierstimmen mitmachen sollen, gehörte zu einer Serie von
zehn Hörspielen für den Jugendfunk, die Kasack unter dem
Titel "Tull, der Meisterspringer" aufzeichnen lies. Leider sind
nur zwei dieser Geschichten erhalten geblieben, doch kann schon
die "Kinderolympiade" verdeutlichen, warum Tull zu einer vielgeliebten
Funkfigur, einem frühen Hörspiehelden geworden ist: Bei
der Veranstaltung des Sportfests geht der Spaßvogel verständnisvoll
auf die Kinder ein, lässt sie toben und einfach Kinder sein!
Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Autor sich bestärkt
durch die vielen Zuschriften seiner kleinen Hörern
dazu entschied, die Geschichten vom
Tull zu einem Kinderbuch zu verarbeiten.
Einmal eins ist eins, nullmal eins ist keins,
nullmal null ist null, und ich bin Tull!
Michael
Informationsquelle:
Booklet der CD "Was Kinder gerne hör(t)en" des
Deutschen Rundfunkarchiv (DRA) von 2003, Konzeption und Text: Karin
Langer, Tania Klaczko-Ryndziun, Christiane Poos
|