"Dunkel in einem Spiegel"
heißt der 1872 von Joseph Sheridan Le Fanu erschienene Sammelband, der - in
Anlehnung an den 1. Konrintherbrief* des Neuen Testaments - bereits "das
gemeinsame Thema dieser spannungsgeladenen Horrorgeschichten andeutet: die
Bedrohung des Menschen durch dunkle Mächte." Aufgrund der "formalen und
stilistischen Brillanz der einzelnen Erzählungen" lag das Niveau von "In a
Glass Darkly", so der englische Originaltitel, nicht nur "über dem der meisten zeitgenössischen
Schauerromane"**, sondern brachte auch den wohl berühmtesten weiblichen
Blutsauger aller Zeiten hervor: "Carmilla".
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Die vierte der insgesamt
fünf Erzählungen begeisterte die Menschen weltweit, allen voran den 1847 nahe
Dublin geborenen Abraham alias Bram Stoker, dem die Novelle um den lesbischen
Vampir zum Vorbild und zur Inspiration seines Dracula-Romans (1897) wurde.
Bis heute ist diese Faszination ungebrochen, wie zahlreiche Verfilmungen und
Theaterstücke beweisen (>>Vampyr - Der Traum des Allan Grey<< 1931,
>>...und vor Lust sterben<< 1960, >>Gruft der Vampire<<
1970, u.a.). Kein Wunder also, daß man sich auch beim Engelstädter Label
>>Hörspiele Welt<< an die Umsetzung von Le Fanus Meisterstück gewagt
hat. Getreu dem Motto der
Hausserie, >>Die Schwarze Stunde<<, "in den nächsten Jahren zur
umfangreichen klassischen Bibliothek bekannter Horror und Mystery Autoren
heranzuwachsen", ist Carmilla - nach E. A. Poes >>Der Geist des
Bösen<< - bereits die zweite Produktion aus dem Genre phantastischer
Horrorliteratur. Die hörspielgerechte Bearbeitung von Olaf Seider und Bergit
Lasar bleibt, so ist es auf der Coverrückseite zu lesen, "nah am Original -
düster und romantisch", was sich schon in den ersten Minuten bestätigt. Dabei
wird die finstere Stimmung in erster Linie durch die - hier ist dem Klappentext
ebenfalls zuzustimmen - "hervorragende Musikkomposition von Kai Becker" erzeugt,
die dem gesamten Hörspiel die atmosphärisch notwendige Dichte verleiht und den
Hörer knapp eineinhalb Jahrhunderte zurückversetzt. Besonderen Eindruck
hinterlassen auch die männlichen
Stimmen: Während Karin Kuschik trotz Publikumspreis des Hörspiel-Awards
in der Kategorie "Beste Sprecherin in einer Hauptrolle" als eifersüchtiger, vor
sexueller Begierde getriebener Vampir Carmilla ebenso wenig wie ihre
gelangweilt wirkende Gegenspielerin Laura (Irina Hunka) überzeugen kann,
leisten Erzähler Christian Schult, Andreas Baum (Lauras Vater), Olaf Pressler
(General Spielsdorf) sowie Christoph Sauer in der Rolle des Doktor Spielberg
sonore Sprecherarbeit.
Interessant wäre in diesem Zusammenhang ein Vergleich mit dem 1984 vom WDR
unter der Regie von Heinz-Wilhelm Schwarz produzierten gleichnamigen Stück (mit
Nina Danzelsen, Sona McDonald, Wolfgang Feige u.a.), über das uns gegenwärtig
jedoch keine Informationen vorliegen. Trotz des eher unspektakulären Showdowns,
der weniger auf die Hörspielbearbeitung Seiders/ Lasars als vielmehr auf die
nachlässige Arbeit Le Fanus` zurückzuführen ist, bleibt die konkurrenzlose
Arbeit der Hörspiele Welt durchweg spannend und damit absolut hörenswert, und
so heißt es nach rund 60 Minuten:
"Wenn Blut aus alten Mauern
rinnt, es donnert und es heult der Wind, ist es zwischen zwölf und eins, kein
Leben ist mehr sicher, weder Deins noch meins. Grauen und Wahnsinn machen ihre
Runde, denn das war die schwarze Stunde."
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* "Wir sehen durch einen
Spiegel in einem dunkeln Wort" (1. Korintherbrief, 13, 12). ** Alle Zitate nach Walter
Jens (Hrsg.): Kindlers Neues Literaturlexion. LA-MA. Band 10. München 1988, S.
134.
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