In der Legende von den >>Zwölf vorhersagenden
Tagen<< heißt es, "daß man in den
letzten zwölf Tagen eines Jahres das Wetter für die kommenden zwölf Monate des
neuen Jahres vorhersagen kann. Es genügt, jeden einzelnen Tag auf das genaueste
zu beobachten, um so im Kleinen eine Übersicht über all die Monate zu bekommen.
Der 19. Dezember ist wie der Monat Januar, der 20. Dezember wie der Monat
Februar und so weiter. Bis zum 31. Dezember, der wie der folgende nächste
Dezember ist."
Zwölf Tage lang darf Oma Rosa - entgegen der Vorschrift und mit der Erlaubnis
von Dr. Düsseldorf - den krebskranken Oskar jeden Tag im Krankenhaus besuchen:
Nur ihn, und sonst niemanden. Zwölf Tage, in denen Oskar an den lieben Gott, an
den er bisher nicht geglaubt hat, schreiben und dabei jeden einzelnen Tag so
betrachten soll, als würde er zehn Jahre zählen: Ein Tag ist gleich zehn Jahre.
Oskar, der weiß, daß er sterben muß, berichtet fortan nicht nur über Geburt und
Jugend, Midlife-Crisis, Alter und Tod, sondern macht in seinen Briefen selbst
Mitpatienten wie den fettleibigen Popcorn zu Handlungsträgern bzw. Akteuren der
eigenen, imaginierten Biographie, die mehr und mehr das Thema der menschlichen
Vergänglichkeit in den Vordergrund rückt. Eine Vergänglichkeit, die
gleichzeitig die Unfähigkeit der Erwachsenen widerspiegelt, den Tod als
Bestandteil des Lebens zu akzeptieren. Neben der aktuell für den Deutschen Hörbuchpreis 2004 in
der Kategorie "Beste Unterhaltung" nominierten Produktion >>Monsieur
Ibrahim und die Blumen des Koran", hat man beim Berliner Audio Verlag mit
"Oskar und die Dame in Rosa" eine weitere Hörspiel-Adaption der zuvor als Bühnenstück uraufgeführten Parabel von
Eric-Emmanuel Schmitt ins Programm genommen. Ohne
erhobenen Zeigefinger, dafür aber sehr einfühlsam, zeigt die Erzählung des
Bestsellerautors einmal mehr, daß das Leben zerbrechlich ist, auch wenn wir so
tun, als wären wir unsterblich. Im Zeitalter des Körperkultes und des
Jugendwahns bricht der Franzose, der von sich selbst behauptet, Oskar gewesen
zu sein, mit dem Tabuthema Tod, indem er die Kinder vor den Eltern sterben
läßt. "Ich selbst bin Oskar gewesen. Das Kind, mit dem man
nicht mehr spricht, weil einem sein Gesundheitszustand Angst einjagt. Das Kind,
das unter dem Schweigen seiner Nächsten leidet, unter dem Schweigen des
Himmels, unter all den offen bleibenden Fragen, und das dennoch nie seine
unendliche Lebensfreude verliert." Diese unendliche Lebensfreude spiegelt sich auch in der
akustischen Umsetzung der Geschichte unter der Regie von Sven Stricker wieder.
Mit Gisela Trowe als Oma Rosa und Jannik Schümann als Oskar hat man sich bei
dem im vergangenen Jahr durch den NDR produzierten Hörspiel für eine ideale
Besetzung entschieden. Obwohl "Oskar und die Dame in Rosa" Schümanns erste
Hörspielerfahrung ist, verkörpert der 11jährige Hamburger die vielschichtige
Rolle des Leukämiekranken, der am Ende seines Lebens einen über 100 alte
lebenserfahrenen Mann mimen muß, äußerst glaubwürdig. Im Zusammenspiel mit der
film- und synchronerfahrenen Trowe (u.a. >>Unmögliche Interviews - Mae
West und Marlene Dietrich<<, >>Das Oma-Projekt<< D>A<V)
und der wunderbaren Musik von Jan-Peter Pflug gehört das auf zwei CDs
erschienene 88minütige Hörspiel schon jetzt zu den Hörspiel-Highlights 2004.
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