Es
ist Liebe auf den ersten Blick, nicht nur zwischen der kleinen Opal
und ihrem philosophischen Streuner, sondern zwischen Hörer
und Geschichte. Die resolute Stimme einer selbstbewussten Zehnjährigen
beeindruckend nachahmend entführt die Schauspielerin Fritzi
Haberland aus der (erwachsenen) Alltagswirklichkeit in die Welt
des kleinen Mädchens: "Ich heiße India Opal Buloni
und letzten Sommer schickte mich mein Vater, der Prediger, in den
Supermarkt, um eine Packung Makkaroni mit Käsesauce, etwas
Reis und zwei Tomaten zu kaufen. Zurück kam ich mit einem Hund."
Und da sie ihn in einem Winn-Dixie-Supermarkt vor dem aufgebrachten
Filialleiter aus der fast verwüsteten Obstabteilung gerettet
hat, bekommt der etwas streng riechende herrenlose Hund einfach diesen
Namen verpasst: Winn-Dixie. Ihrer Überzeugungskraft, die aus einer faszinierend
klaren kindlichen Logik entspringt, gelingt es, den Prediger, wie
Opal ihren Vater nicht nur wegen seines Berufes immer nennt, rasch
zu überreden, dem Hund ein neues Zuhause zu geben: "Ich
weiß, dass ich keinen Hund brauche. Aber dieser Hund braucht
mich." Und es ist gut so, dass Winn-Dixie in dieser Familie
gelandet ist, denn dort wird der lächelnde Streuner wirklich
dringend
gebraucht. Seit die Mutter vor sieben Jahren Ehemann und Tochter
verlassen hat, zieht sich Opals Vater immer mehr in seine eigene
Lebenswelt zurück: "Manchmal erinnerte mich der Prediger
an eine Schildkröte, die sich in ihrem Panzer verkrochen hatte,
dort drinnen über alles Mögliche nachdachte und nie ihren
Kopf in die Welt hinausstreckte." Den erwachsenen Hörer
erinnert diese Familiensituation rasch an Wim Wenders "Paris,
Texas". Auch in diesem Film überfordert das Leben an sich
und die Erziehung seines Kindes einen Vater restlos, nachdem
ihn seine geliebte Frau verlassen hat - nur ist Trevor in "Paris,
Texas" kein lächelnder Hund zugelaufen, dem auch
ein noch so verschlossenes Herz nicht widerstehen kann...
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Mit
seinem untrüglichen Instinkt schafft es Winn-Dixie, seine kleine
Freundin davon zu überzeugen, den unnahbaren Vater nach ihrer
Mutter zu befragen. Gestärkt durch die Zustimmung ihres Streuners
gelingt es Opal, ihm zehn Dinge - für jedes ihrer Lebensjahre
eines - über ihre verschwundene Mutter zu entlocken. Dieses
Kapitel gehört zu den schönsten, aber auch traurigsten
des Hörbuches, denn während man zusammen mit dem kleinen
Mädchen und ihrem Hund den Ausführungen
des Predigers lauscht, entsteht nicht nur ein lebendiges Bild von
Opals Mutter, sondern man spürt auch die verzweifelte Liebe
des Vaters zu der nicht mehr anwesenden Frau: ">>Nummer
zehn<<, sagte er mit einem langen Seufzer. >>Nummer
zehn ist, dass deine Mama dich liebte. Sie liebte dich sehr.<<
>>Aber sie hat mich verlassen<<, sagte ich. >>Sie
hat uns verlassen<<, sagte der Prediger leise. Und ich sah,
wie er seinen alten Schildkrötenkopf in seinen dummen Schildkrötenpanzer
zurückzog." Doch immerhin hat er ihn überhaupt
einmal herausgestreckt! Winn-Dixie bringt Bewegung in das Leben
der beiden, er verhilft der einsamen Opal in der neuen Stadt,
in die sie mit ihrem Vater erst kürzlich gezogen ist, zu neuen
Freunden, durchbricht mit seinen Übermut das eintönige
Sonntagsritual in der Open-Arms- Baptistenkirche in Naomi und vor
allem führt er dem Prediger vor Augen, welches Glück er
mit seiner kleinen Tochter hat: ">>Ich habe gerade etwas begriffen, India Opal.
Als ich dir sagte, dass deine Mama alles mit sich fortgenommen hätte,
habe ich etwas vergessen, etwas ganz Wichtiges, das sie mit
dagelassen hat.<< >>Was?<<, fragte ich. >>Dich<<,
sagte er. >>Ich danke Gott, dass deine Mama mir dich dagelassen
hat.<< Und er drückte mich fester." Von
dem alten, zerzausten Hund können wir viel lernen, denn er
räumt mit Vorurteilen auf, sorgt für klare Verhältnisse
und lehrt nicht nur die Menschen in seiner Umgebung, dass Liebe
auch Loslassen bedeutet. Nur durch ihn schließt Opal mit
der interessanten
Bibliothekarin der Hermann-W.-Block Gedenkbibliothek, Miss Franny
Block, mit der sie die Liebe zum Fabulieren und Geschichtenerzählen
teilt, Freundschaft und trifft die steinalte Gloria Dump, die allein in einem Häuschen
mit einem riesigen verwilderten Garten lebt und von allen anderen
Kindern für eine Hexe gehalten wird. Von diesen beiden Damen
erfährt die Zehnjährige auf unterschiedliche Weise, dass
Kummer und Glück nahe zusammenliegen und ebenso unabänderlich
zum Leben gehören, wie der Geschmack von Süße, Lebensfreude,
aber auch Kummer und Traurigkeit zu den Littmus-Lutschbonbons von
Mrs. Blocks Großvater. Nicht vergessen
darf man den "Zauberer" Otis, einen ehemaligen Sträfling,
der in Gertrudes Zoogeschäft arbeitet und mit seinem Gitarrenspiel
Menschen und Tiere gleichermaßen fasziniert, sowie die kleine
Sweetie Pie Thomas - sie alle hat Opal nur mit Hilfe Winn-Dixies
gefunden: "Und plötzlich war ich glücklich.
Ich hatte einen Hund. Ich hatte einen Job. Ich hatte Mrs. Franny
Block zur Freundin. Und ich hatte die erste Einladung zu einer Party.
Es war egal, dass die Party erst im September sein würde. Ich
fühlte mich jedenfalls nicht mehr so allein." Ein
Leben ohne Winn-Dixie können sich die neuen Freunde nicht mehr
vorstellen, umso größer ist die Sorge, als der Hund,
der eine panische Angst vor Gewittern hat, ausgerechnet auf der
ersten großen Party von India Opal vor Blitz und Donner
flieht und spurlos verschwindet... Der Hörcompany ist mit
der Vertonung von "Winn-Dixie" eine Meisterleistung geglückt.
Fritzi Haberland liest dieses einmalig schöne Kinderbuch der
Amerikanerin Kate DiCamillo mit solcher Überzeugungskraft,
dass man glauben könnte, sie wäre selbst die kleine Heldin
India Opal. Das (Hör-)Buch sprüht vor Wortwitz und
Komik und trotzdem wird man als Erwachsener durch die scheinbar
naive Kindersicht zum Nachdenken über die wirklich wichtigen
Dinge im Leben angeregt. Wie im Flug vergeht die Gesamtlaufzeit
von 155 Minuten und wehmütig möchte man gar nicht mehr
zurückkehren aus der Welt Winn-Dixies und seiner Freunde. Eine
absolute Bereicherung nicht nur für kleine Hörer ab acht
Jahren!
"Einmal
Winn-Dixie ins Antlitz geschaut - und der Trübsinn hat keine
Chance." Die
Zeit
"DiCamillos Stil ist augenzwinkernd
humorvoll und von bestechender Klarheit. Eine Geschichte über Freundschaft,
Trauer und die heilende Kraft der Liebe, die anrührt ohne rührselig zu
sein." Eselsohr
"Eine Geschichte mit Blues!"
spielen
und lernen
"...spannend
und mit sehr viel Gefühl gelesen von Fritzi Haberland"
Süddeutsche Zeitung (gesamte
Rezension)
Die Buchausgaben sind im CECILIE DRESSLER Verlag und bei DTV
JUNIOR erschienen. WINN-DIXIE war nominiert für den Deutschen
Jugendliteraturpreis.
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